NABU fordert Neubewertung bei Glyphosat-Zulassung
Archivmeldung vom 05.10.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit Blick auf das heute veröffentlichte Sachverständigengutachten, das die Plagiatsvorwürfe gegen den Glyphosat-Bericht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) bestätigt, fordert der NABU eine Neubewertung des Mittels im EU-Zulassungsverfahren. Die Zulassung des Wirkstoffs läuft nach EU-Pflanzenschutzrecht zum Jahresende aus. Die EU-Kommission hat eine Verlängerung der Zulassung um zehn Jahre vorgeschlagen.
"Es ist offensichtlich, dass das BfR keine eigenständige Bewertung der zitierten Studien vorgenommen hat. Einen weiteren Freifahrtschein für Glyphosat darf es nicht geben, solange der Verdacht besteht, dass bei der Risiko-Analyse die Industrie die Richtung vorgegeben hat. Der Vorfall zeigt auch einmal mehr, dass das Zulassungsverfahren einer dringenden Überarbeitung bedarf", sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Vor dem Hintergrund, dass die wissenschaftliche Plausibilität des BfR-Gutachtens nicht mehr gegeben ist, begrüßt der NABU, dass der zuständige Ausschuss der Mitgliedstaaten das Thema heute von der Tagesordnung genommen hat. Eine andere Entscheidung hätte das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der EU-Institutionen in seinen Grundfesten erschüttert und das Vorsorgeprinzip ad absurdum geführt. Die Gesundheit von Millionen EU-Bürgerinnen und Bürger und der Schutz der biologischen Vielfalt stünden auf dem Spiel. "Die Debatte um eine Neuzulassung von Glyphosat darf erst wieder fortgesetzt werden, wenn eine Bewertung vorliegt, welche auch die Leitlinien der guten wissenschaftlichen Praxis erfüllt", so Miller weiter, "bis dahin sollte der Einsatz von Glyphosat EU-weit ausnahmslos verboten werden."
Das heute vorgelegte Gutachten des Plagiatsprüfers Stefan Weber kommt zu dem Ergebnis, dass das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung als die für das Zulassungsverfahren wichtige Behörde seine Bewertung des Totalherbizids Glyphosat über viele Seiten vom Glyphosathersteller Monsanto eins zu eins abgeschrieben hat. Es zeigt, wie anfällig das System für den Einfluss der Chemieindustrie ist. Der NABU fordert seit Langem mehr Transparenz im EU-Zulassungsprozess für Pestizide. Darüber hinaus müssten die ökologischen Auswirkungen von Pestiziden realitätsnah mit Vertreterarten aus naturnahen Ökosystemen in die Risikobewertung einfließen. "Die dramatischen Rückgänge in der Vogel- und Insektenwelt sind ein deutlicher Weckruf, dass mit den bisherigen zur Bewertung eingesetzten Arten nicht die beste Wahl getroffen wurde", so Miller weiter.
Auch müsse das BfR im Agrar- und Umweltausschuss des Europäischen Parlamentes in der für den 11. Oktober vorgesehenen Anhörung unbedingt Stellung zu den Plagiatsvorwürfen beziehen. "Sollte das BfR jedoch nichts an der Entscheidung ändern, und nicht zur Anhörung erscheinen, muss die EU-Kommission ernsthaft abwägen, ob das BfR zukünftig überhaupt noch in die Risikobewertung einbezogen werden sollte", so Miller. "Darüber hinaus sollte sich Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt dringend Gedanken darüber machen, ob BfR-Präsident Hensel noch die geeignete Personalie für ein solch verantwortungsvolles Amt ist."
"Insgesamt ist ein Umsteuern in der Landwirtschaft überfällig. Um dies zu erleichtern, ist eine Reform der EU-Agrarförderung nötig, bei der Landwirte, die Leistung für den Naturschutz erbringen, dafür entlohnt werden", so Miller weiter. Ein Mittel sei die Einrichtung eines EU-Naturschutzfonds, der besondere Naturschutzleistungen der Landwirte honoriere. Davon könnten auch Landwirte profitieren, die den Pestizideinsatz drastisch reduzieren oder gänzlich aussetzen. Statt der bisherigen pauschalen Flächenförderung, die zu immer intensiverer Nutzung mit enormen ökotoxikologischen Schäden an der Biodiversität, zum Rückgang von Insekten und Vögeln, aber auch zu einer nicht mehr vertretbaren Belastung von Böden und Grundwasser führt, sollte die Produktion, Vermarktung und Nachfrage von Lebensmitteln, die pestizidarm produziert wurden, gefördert werden.
Mehr zu den NABU-Forderungen für die künftige Agrarpolitik: www.NABU.de/agrarreform2021
Quelle: NABU (ots)