Wälder kühlen mit Verspätung
Archivmeldung vom 08.09.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWälder haben bei Hitzewellen anfangs keinen kühlenden Effekt, sondern heizen die Atmosphäre sogar zusätzlich auf. Dies zeigt eine neue Studie, die Wissenschaftler der ETH Zürich und ein internationales Team in Nature Geosciene publizierten.
Ein Omega-Hoch führte dieses Jahr in Russland zur Hitzewelle mit den katastrophalen Waldbränden. Es hat seinen Namen, weil ein intensives Hoch in Form eines Omega-Zeichens die Atmosphärenzirkulation blockiert. Eine solche Wetterlage ist typisch für Hitzeextreme in Europa und war auch für die Hitze-sommer 2003 und 2006 verantwortlich. Hitzewellen können durch Verdunstung von feuchten Böden der Acker- und Grasländer sowie der Wälder abgeschwächt werden. Bis anhin ging man davon aus, dass Wälder dabei eine grössere und wichtigere Rolle spielen, da Bäume durch tiefere Wurzeln an mehr Wasser gelangen. Eine Studie zeigt nun, dass Wälder am Anfang einer Hitzewelle keinen kühlenden, sondern sogar einen wärmenden Effekt haben – im Gegensatz zum Grasland.
Ackerflächen kühlen schneller
Adriaan Teuling vom Institut für Atmosphärenphysik der ETH Zürich, jetzt an der Universität Wageningen in den Niederlanden, hat mit ETH-Professorin Sonia Seneviratne und einem internationalen Team untersucht und quantifiziert, wie stark und zu welchem Zeitpunkt die Böden von Wäldern und Graslandschaften bei der Temperaturregulierung eine Rolle spielen. Es zeigte sich, dass zu Beginn einer Hitzewelle, wenn die Bodenfeuchte noch hoch ist, Grasländer und Ackerflächen mehr zur Kühlung durch Verdunstung ihrer Bodenfeuchte beitragen als Wälder.
Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler Daten von Messstationen des sogenannten FLUXNET-Netzwerks, das seit rund zehn Jahren in Zentral- und Westeuropa die turbulenten Flüsse von Wärme und Wasser, sowie Strahlungsflüsse misst. «Bei Hitzewellen wird ein Teil der einfallenden Sonnenenergie in Wärmeenergie umgewandelt. Wichtig für uns war, herauszufinden, wieviel Energie in Lufterwärmung, respektive Verdunstung, umgesetzt wird», sagt Sonia Seneviratne.
Messungen im Wald und auf der Wiese
Die Forschenden untersuchten, wie sich die Energiebilanz der Wälder und Graslandschaften über die Jahre ohne die extremen Hitzejahre 2003 und 2006 entwickelte, basierend auf vorhandenen Messdaten im Zeitraum 1997-2008. Dazu analysierten sie die Daten, die an Hitzetagen in den Jahren 2003 und 2006 während der Monate Juni bis August täglich zwischen 9:00 Uhr und 13:00 Uhr aufgezeichnet wurden. Die Energiebilanz zeigte, dass die Grasflächen an Hitzetagen bis zu doppelt soviel Wasser verdunsten als Wälder und die Luft dort also mehr abgekühlt wird. Der sogenannte fühlbare Wärmefluss ist deshalb über den Wäldern deutlich höher als über dem Gras- oder Ackerland.
Sparsamer Wasserhaushalt des Waldes
Grasland verwendet mehr Strahlungsenergie, um Wasser aus dem Boden zu verdunsten, während der Wald die Atmosphäre vorerst zusätzlich aufheizt. Den Grund für das unterschiedliche Verhalten von Wald und Grasland sehen die Wissenschaftler darin, dass der Wald trotz seiner tiefreichenden Wurzeln sehr viel konservativer mit dem Wasserhaushalt umgeht. Die schützenden Zellen um die Spaltöffnungen der Pflanzen haben unterschiedliche Strategien entwickelt, wie sie auf Hitzewellen und drohende Trockenheit reagieren; der Wald tut dies weniger verschwenderisch als die Graslandschaften. Im Verlauf einer Hitzewelle – wenn die offenen Wiesen- und Ackerflächen ausgetrocknet sind – hat das „haushälterische“ Verhalten des Waldes aber durchaus seine positiven Seiten. Für die Wissenschaftler ist klar, dass der Wald für Hitzewellen eine wichtige Rolle spielt, da er diese zwar kurzfristig verstärkt, aber langfristig stabilisierend wirkt.
Bereits würden in Wetterprognosen und Klimaszenarien die Eigenschaften der Pflanzen teilweise berücksichtigt, sagt Seneviratne. «Dass die Wälder aber zuerst kontraproduktiv und mittelfristig jedoch stabilisierend bei Hitzewellen wirken, wurde jedoch bisher nicht erkannt.» Dies gelte es nun zu präzisieren.
Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)