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Bei Betreten Abschuss: No-go-Areas in Niedersachsen für Wölfe

Archivmeldung vom 28.10.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.10.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Ein friedliches Wolfsrudel: Wölfe nehmen Jägern die Arbeit weg. Zeit sie auszurotten?!
Ein friedliches Wolfsrudel: Wölfe nehmen Jägern die Arbeit weg. Zeit sie auszurotten?!

Bild: Eigenes Werk /OTT

Das Drama um Wölfe in Niedersachsen spitzt sich zu: Während eine Bürgerinitiative No-go-Areas für die Raubtiere fordert, stehen fünf Jungtiere in Cuxhaven auf der Abschussliste. Die Wölfe haben ihren wichtigsten Verteidiger verloren – obwohl die Tiere keine Schuld trifft, sieht der zuständige Wolfsberater keine Alternative zu ihrem Abschuss. Dies schreibt das russische online Magazin "Sputnik".

Weiter heißt es auf der deutschen Webseite: "Herrmann Kück klingt niedergeschlagen. Und er ist es auch. Bei dem Wolfsberater im niedersächsischen Landkreis Cuxhaven klingelt in letzter Zeit häufig das Telefon. Auch viele E-Mails landen in seinem Postfach. „Es gibt viele Leute, die sich zu diesem Thema artikulieren – und selten positiv“, sagt Kück mit gesenkter Stimme.

Das Thema mit dem hohen Gesprächsbedarf sind Wolfsrisse, das heißt Angriffe der Raubtiere auf Nutztiere. Dass Wölfe Nutztiere reißen passiert fast überall in Deutschland. Im hohen Norden haben diese Attacken eine andere Qualität: 24 Rinder und mehr als 100 Schafe wurden seit 2012 im Landkreis Cuxhaven gerissen. Mehr als die Hälfte davon innerhalb des vergangenen Jahres. Kück ist überzeugt, dass diese Angriffe auf das Konto von fünf Jungtieren gehen.

Wir springen ein Jahr zurück. Im September 2016 erschießt ein Unbekannter in Köhlen im Kreis Cuxhaven eine Wölfin. Die Staatsanwaltschaft Stade ermittelt. Die Landesjägerschaft setzt 3.000 Euro Belohnung aus. Bis heute ist der Täter unbekannt. Der Abschuss hat aber Folgen. Denn die getötete Wölfin war keine Einzelgängerin, sondern eine Rudelführerin. Gemeinsam mit einem Rüden hatte sie fünf Welpen. Diese sind fünf Monate alt, als ihre Mutter erschossen wird, und können sich nicht selbst ernähren. Am Ende des Jahres verschwindet auch der Vater.

Kück hat zwar keine Beweise, aber er ist sich sicher, dass auch dieser Wolf erschossen wurde. Für die fünf Jungen hat das gravierende Folgen. Zwar gibt es im kahl besiedelten Cuxhavener Land Wild wie Sand am Meer. Aber niemand zeigt den hungrigen Wölfen, wie Hirsche und Rehe erbeutet werden.

„Sie haben deshalb angefangen, Nutztiere zu reißen“, stellt Kück verbittert fest. „Ich bin mein Leben lang im Naturschutz aktiv und ich weiß: Diese jungen Wölfe werden diese Kenntnis aus den Nutztierrissen nicht mehr verlernen. Sie werden sie an ihre Nachkommen weitergeben.“ Zu den nächsten Worten muss sich Kück fast quälen:

„Ich bin der Letzte, der sich für den Abschuss von Wölfen ausspricht. Aber ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass man eingreifen muss, damit es nicht aus dem Ruder läuft. Diese Wölfe können offensichtlich nichts dafür, sie sind durch Menschenschuld in diese Notsituation geraten. Ich möchte vermeiden, dass sie ihre gesamte Sippe in den Sog reinziehen und es heißt: Alle Wölfe müssen weg!“

Kück fordert die „Entnahme“ dieser fünf Wölfe, auf Deutsch: Sie sollen erschossen werden. Das müsse, so der Fachmann, möglichst schnell passieren, denn schon bald könnten die Tiere Nachwuchs bekommen. „Ich möchte nicht, dass die Wölfe ihr eigenes Grab graben“, sagt Kück, der selber Jäger ist. Auf „seine Wölfe“ möchte er aber nicht anlegen. Das sollten auf politischen Auftrag hin Fachleute aus den zuständigen Jägerschaften erledigen.

Ortswechsel: Gut 120 Kilometer südöstlich von Cuxhaven, mitten in der Lüneburger Heide, wohnt Maike Schulz-Broers. Die Mutter liebte die Idylle in ihrem 160-Seelendorf. Bis vor zwei Jahren ihre Pferde vor Panik durch die Zäune gingen. Bisswunden und weitere Spuren zeigten: Wölfe hatten die Pferde attackiert.

„Das war nicht schön. Wir haben unsere Weide direkt am Haus. Ich habe einen Sohn von zehn Jahren. Direkt am Haus fließt ein Bächlein. Bis vor kurzem durfte er dort spielen. Wenn er heute sagt ‚Ich gehe mal‘, bin ich da etwas unruhig.“

Nun ist Schulz-Broers das Gegenteil eines ängstlichen Mütterleins, sondern eine Frau der Tat. Als sie erfuhr, dass Schäfer in Brandenburg zum Schutz ihrer Herden Mahnfeuer veranstalten, organisierte sie diese auch in Niedersachsen. Außerdem gründete sie die Bürgerinitiative „Sicherheitsgedanke versus Wölfe." Sie betont: „Es geht mir nicht darum, alle Wölfe zu töten, sondern um Konsens.“

Einen Vorschlag, wie Mensch und Wolf miteinander auskommen hat sie auch: No-go-Areas für die Raubtiere. „Es gibt für mich Gebiete, in denen die Wölfe nichts zu suchen haben“, meint die Aktivistin. „Das ist zum einen die Nordseeküste. Da gibt es Deiche, das ist unser Küstenschutz. Und der funktioniert nur, weil Schafe das Gras kurz halten. Die Schafe können weder durch Zäune noch durch Herdenschutzhunde gesichert werden.“ Auch die Lüneburger Heide ist in ihren Augen eine No-go-Area:

„Heideflächen können ja nicht umzäunt werden, weil sonst die Touristen wegbleiben. Also auch hat der Wolf da auch nichts zu suchen. Sagen wir es mal ganz plump: Wenn man sie nicht sehen würde und sie keinen Schaden anrichten würden, dann wäre das gar kein Ding.“

Der „unsichtbare Wolf“ also. Für die Gegner wäre das sicher eine perfekte Lösung. Bleibt die Frage, ob sie sich umsetzen lässt.

Zurück an die Nordseeküste. Kay Krogmann kann ein Lied von den Wölfen im Kreis Cuxhaven singen. Der Schäfer hat viele Tiere durch Risse verloren. Für ihn wäre der Abschuss der fünf Jungwölfe mehr als eine Genugtuung. „Ich kenne Wolfsberater Hermann Kück. Wenn der so etwas sagt – das hat Aussagekraft“, sagt er auf Sputnik-Nachfrage. Der Ball – oder vielmehr die Kugel – liegt jetzt beim niedersächsischen Umweltministerium.

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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