Stirbt das Kanadische Nationalsymbol wegen eines europäischen Gewürzkrautes aus?
Archivmeldung vom 16.06.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittZugewanderte Gewürzpflanzen können das Nachwachsen einheimischer Baumarten stark behindern. Das schreibt ein Team aus US-amerikanischen, kanadischen und deutschen Forscher in der Mai-Ausgabe des angesehenen Fachblattes Public Library of Science.
Bei Untersuchungen an der Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata) waren die
Forscher auf einen neuen Mechanismus gestoßen, der die Vermehrung der Bäume
bremst. Diese Pflanze sondert giftige Substanzen ab, die Pilze im Boden
schädigen. Dadurch können die jungen Baumkeimlinge nicht anwachsen und
etablierte Baumarten werden so verdrängt.
Mit an den Untersuchungen
beteiligt war das Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle (UFZ). Die Studie hat
in Kanada für Aufsehen gesorgt, weil zu den betroffenen einheimischen Baumarten
dort auch der Kanadische Ahorn gehört, dessen Blatt das Nationalsymbol des
Landes ist.
Das Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle (UFZ) erforscht die komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt in genutzten und gestörten Landschaften. Die Wissenschaftler entwickeln Konzepte und Verfahren, die helfen sollen, die natürlichen Lebensgrundlagen für nachfolgende Generationen zu sichern. Das UFZ ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, die mit ihren 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2.2 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands ist. Die insgesamt 24 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Helmholtz-Gemeinschaft forschen in den Bereichen Struktur der Materie, Erde und Umwelt, Verkehr und Weltraum, Gesundheit, Energie sowie Schlüsseltechnologien.
Zuckerahorn, Roter Ahorn und Weißesche wurden bei den Versuchen der Forscher deutlich weniger mit Bodenpilzen besiedelt.
Die Besiedelung von Baumwurzeln durch Bodenpilze, so genannte Mycorrhiza, ist aber ein wichtiger Schritt für die Etablierung junger Bäume, da diese Pilze den Bäumen wesentlich helfen, Nährstoffe aus dem Boden aufzunehmen.
Vergleiche
mit anderen Baumarten zeigten, dass die Knoblauchsrauke offenbar nur Harthölzer
beeinflusst.
Die Studie entstand in Zusammenarbeit der US-Universitäten Havard, Montana und Purdue, der kanadischen Universität Guelph sowie des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle. Am UFZ beschäftigen sich Botaniker seit mehreren Jahren mit Lebensgemeinschaften aus verschiedenen Pflanzen und Tieren, so genannten Biozönosen.
"Wir hatten eigentlich die Knoblauchsrauke unter
die Lupe genommen, weil wir Insektenbefall an ihr untersuchen wollten, um
biologische Schädlingsbekämpfer zu entwickeln", erzählt Dr. Daniel Prati vom
UFZ. "Umso mehr waren wir überrascht, dabei auf einen neuen Mechanismus zu
stoßen, der ein wichtiger Baustein in den komplizierten Verdrängungsprozessen
der Natur sein könnte."
Die unscheinbare Knoblauchsrauke wurde um 1860
als Gewürzpflanze aus Europa nach Nordamerika eingeführt. Mittlerweile gilt sie
dort als eine Art, die sich stark vermehrt und ausbreitet. So genannte Neophyten
- sinngemäß "neue Pflanzen" - können bestehende Ökosysteme aus dem Gleichgewicht
bringen. Der Schaden, den Neophyten allein in der Landwirtschaft der USA
anrichten, wird auf über 27 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt. Das Auswildern
fremder Arten ist deshalb in Deutschland inzwischen
genehmigungspflichtig.
Die Knoblauchsrauke ist ursprünglich eine Pflanze
der Laubwälder - kommt aber ebenfalls an Wegrainen und in Stadtgebieten vor. Die
unscheinbare Pflanze wird bis zu einem Meter hoch. Ihren deutschen Namen hat sie
durch den intensiven Knoblauchgeschmack erhalten. Alliaria petiolata wird sowohl
als Gewürz als auch zur Heilung von Bronchitis und Ekzemen verwendet, da sie ein
Senföl-Glykosid enthält.
Die wechselseitigen Abhängigkeiten von Pflanzen
und Bodenpilzen waren auch eines der Themen, mit denen sich Biologen auf der
internationalen Konferenz PopBio 2006 beschäftigten.
Die Tagung fand vom 24. bis 27. Mai 2006 in Halle (Saale) statt und wurde von der Gesellschaft für Ökologie, der Martin-Luther-Universität Halle sowie dem UFZ organisiert.
Tilo Arnhold, Leipzig, Mai 2006
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.