Neuer Brutvogelatlas liefert umfassenden Datenfundus
Archivmeldung vom 25.04.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Kartierung von 80 Millionen Brutpaaren und damit mehr als 400.000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit stecken in „ADEBAR“, dem neuen Atlas Deutscher Brutvogelarten. Damit liefert das Werk einen umfassenden Datenfundus zu allen 280 in Deutschland brütenden Vogelarten. Es belegt dabei unter anderem, dass Buchfink und Amsel die häufigsten Arten sind. Vorgestellt wurde der Brutvogelatlas heute von der Stiftung Vogelwelt Deutschland und dem Dachverband Deutscher Avifaunisten in Bonn.
Das 800-seitige Werk entstand in mehr als zehnjähriger Arbeit und beschreibt die Verbreitung aller in Deutschland auftretenden Brutvogelarten. ADEBAR ist nicht nur das Ergebnis eines der größten Kartiervorhaben, zu dem jemals in Deutschland zur Mitarbeit aufgerufen wurde. Dem Projekt wurde eine Begeisterung entgegengebracht, die alle Erwartungen übertraf: Mehr als 4000 Ehrenamtliche beteiligten sich an den Bestandserhebungen. Im Durchschnitt steuerten jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter deutlich mehr als 100 Stunden Feldarbeit bei. Rund 600.000 ausgewertete Datensätze, die auf mehr als vier Millionen kartierten Vogelrevieren basieren, liegen den Verbreitungskarten zugrunde. „Ich bin beeindruckt, zu welchen Leistungen die Bürgerwissenschaft, neudeutsch auch ‚Citizen Science‘ genannt, fähig ist. Dank dieses enormen Engagements steht uns jetzt ein Datenfundus zur Verfügung, der umfassend Auskunft über den Zustand der Natur gibt und unverzichtbare naturschutzrelevante Erkenntnisse liefert“, erklärte Prof. Beate Jessel. Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) erwies allen Beteiligten an dem Mammutprojekt größte Anerkennung, als sie das Werk im Rahmen einer Festveranstaltung im Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Empfang nahm.
Auch die „nackten Zahlen“ zur Bestandssituation der heimischen Vogelarten sind beeindruckend: Aktuell brüten 280 Vogelarten in Deutschland, davon regelmäßig 248 einheimische Arten. Der Rest verteilt sich auf unregelmäßig brütende oder gebietsfremde Vogelarten. Insgesamt brüten hierzulande rund 80 Millionen Vogelpaare. Damit entfällt auf jeden Einwohner Deutschlands ein Vogelpaar. Die mit Abstand häufigsten Arten sind Buchfink und Amsel mit jeweils über acht Millionen Paaren, gefolgt von der Kohlmeise mit mehr als fünf Millionen Paaren. Zusammen mit 19 weiteren Arten, deren Bestände über eine Million Paare erreichen, machen sie 80 Prozent aller in Deutschland brütenden Vögel aus. Diese Arten sind nicht nur sehr häufig, sondern auch weit verbreitet. Etwa ein Fünftel aller einheimischen Brutvogelarten besiedelt mehr als 90 Prozent der Landfläche Deutschlands. Auf der anderen Seite stehen mit knapp 100 Arten etwa doppelt so viele, die auf weniger als zehn Prozent der Landesfläche brüten. Davon sind viele Arten stark gefährdet, wie der Seggenrohrsänger, dessen Bestände sehr stark abgenommen haben und nur mithilfe sehr großer Schutzanstrengungen vor dem Erlöschen bewahrt werden können.
„ADEBAR versetzt uns erstmals in die Lage, Veränderungen des Brutareals von Vogelarten seit etwa Mitte der 1980er-Jahre sichtbar werden zu lassen. Gleichermaßen beeindruckend wie alarmierend ist die Erkenntnis, wie sensibel Vogelarten auf Veränderungen in ihren Brutlebens-räumen reagieren können“, wies Dr. Kai Gedeon, Vorsitzender der Stiftung Vogelwelt, auf die überraschend große Populationsdynamik einzelner Arten hin. „Die Art mit der größten Be-standsabnahme seit Mitte der 1980er-Jahre ist das Rebhuhn, die Art mit den größten Arealverlusten die Haubenlerche, dicht gefolgt vom Vogel des Jahres 2013, der Bekassine. Es gibt aber auch positive Entwicklungen: Das Schwarzkehlchen hat sich stark ausgebreitet“, bilanzierte Gedeon. Insgesamt überwiegt aber der Anteil an Arten, deren Brutareal schwindet.
„Offenkundig ist, dass viele Arten der Agrarlandschaft weite Bereiche des noch in den 1980er-Jahren besiedelten Brutareals geräumt haben“, betonte Bernd Hälterlein, Vorsitzender des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten. Betroffen sind vor allem Arten des Feuchtgrünlandes, aber auch solche des zunehmend industriell bewirtschafteten Ackerlandes. Uferschnepfe und Wiesenpieper haben bereits viele Brutgebiete aufgrund Entwässerung, Grünlandumbruch und der Intensivierung der Grünlandnutzung aufgegeben. Die Bestände vieler auf dem Boden brütenden Feldvögel, wie Kiebitz und Feldlerche, sind vor allem im zurückliegenden Jahrzehnt stark zurückgegangen. Regional oder lokal sind auch diese Arten bereits aus der Landschaft ver-schwunden. Hälterlein forderte: „Der sich in den letzten Jahren beschleunigende Niedergang auch ehemals häufiger Vogelarten der Normallandschaft – also in Allerweltslebensräumen jenseits der großen Naturschutzgebiete oder Nationalparks – muss allen gesellschaftlichen Akteuren eine Verpflichtung sein, umgehend gegenzusteuern.“
„Vogelarten sind darüber hinaus ausgezeichnete Indikatoren, mit deren Hilfe sich stellvertretend die Entwicklung der Artenvielfalt und die Landschaftsqualität messen lassen. Geht es ihnen schlecht, so sind auch viele andere Tiergruppen betroffen“, erklärte BfN-Präsidentin Prof. Jessel und forderte mehr Weitblick bei der Nutzung unserer natürlichen Ressourcen ein. „Die aktuellen Befunde verpflichten uns – abseits dringend notwendiger Analysen – dazu, nun auch Taten folgen zu lassen, um den Erhaltungszustand unserer Vogelwelt deutlich zu verbessern.“ Anderenfalls drohe ein dramatischer Verlust an Artenvielfalt, der weit über das Verschwinden einzelner Vogelarten hinausgehe. Der neue Atlas deutscher Brutvogelarten bietet hierfür belastbare Informationen und ausgezeichnete Argumentationshilfen.
Quelle: Bundesamt für Naturschutz (idw)