Wie Regen von der Bodenfeuchte abhängt
Archivmeldung vom 05.03.2015
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.03.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtEs regnet im Sommer am häufigsten dann, wenn im Boden viel Feuchtigkeit steckt. Dabei fällt der Niederschlag jedoch am ehesten in Regionen, wo die Erde vergleichsweise trocken ist. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende der ETH Zürich nach Auswertung weltweiter Daten. Ihre Studie trägt dazu bei, den bislang wenig erforschten Klimafaktor Bodenfeuchte besser zu verstehen.
Der Wassergehalt des Bodens hat grossen Einfluss auf das Regionalklima. Allerdings sind viele Zusammenhänge noch unklar. Forschende vom Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich sind jetzt zusammen mit Kollegen aus Belgien und den Niederlanden der Frage nachgegangen, wann und wo es im Sommer nachmittags am meisten regnet. Sie wollten klären, ob es mehr Niederschlag an Tagen mit trockenem oder mit feuchtem Boden gibt. Und wo genau es an diesen Tagen am wahrscheinlichsten regnet. Anlass für ihre Studie waren widersprüchliche Ergebnisse anderer Wissenschaftler. Während einige Forscher Nachmittagsniederschläge besonders an Tagen mit hoher Bodenfeuchtigkeit beobachtet hatten, kamen andere zum scheinbar gegenteiligen Ergebnis. Der Regen fiel dort, wo der Boden im Vergleich zum umliegenden Gebiet am trockensten war.
Die neue Studie schafft nun Klarheit. «Es regnet im Durchschnitt tatsächlich am meisten an Tagen mit hoher Bodenfeuchte», erklärt Erstautor Benoit Guillod, der diese Studie als Teil seiner Doktorarbeit in der Gruppe von Sonia Seneviratne, Professorin für Land-Klima Dynamik, geleitet hat und jetzt an der Universität Oxford tätig ist. «Der meiste Niederschlag fällt dabei jedoch über dem Teilgebiet, das am trockensten ist.» Erklären lässt sich dieses Phänomen so: Im Verlauf des Tages erwärmt die Sonne die Erdoberfläche, wodurch das Wasser in Seen, Flüssen, Meeren und aus dem Boden zu verdunsten beginnt. Dieser Wasserdampf steigt im Tagesverlauf immer weiter nach oben, wo er auf kältere Luftschichten trifft und kondensiert. Es beginnt zu regnen. Vor allem in Gebieten fernab der Küste spielt dabei der Wassergehalt des Bodens eine entscheidende Rolle: Je mehr Bodenfeuchte, desto mehr Wasser kann verdunsten, was die Wahrscheinlichkeit von Regen erhöht.
Doch wo genau geht der Regen dann nieder? Da innerhalb eines feuchten Gebiets die Stellen mit geringerer Bodenfeuchte die wärmste Luft produzieren, kann der Wasserdampf hier am höchsten steigen und trifft damit am ehesten auf kältere Luftschichten. Dadurch regnet es an diesen Stellen auch am häufigsten.
Klimafaktor Bodenfeuchte ist noch unzureichend erforscht
Um zu diesem Ergebnis zu kommen, mussten die Wissenschaftler eine Vielzahl von Daten hinzuziehen. Denn obwohl die Bodenfeuchte ein wichtiger Klimafaktor ist, mangelt es weltweit an Angaben. Bislang gehört die Schweiz zu den wenigen Vorreitern: Seit 2008 gibt es ein von Institut für Atmosphäre und Klima initiiertes Messstellennetz (ETH Life berichtete [http://www.ethlife.ethz.ch/archive_articles/080822-bodenfeuchte_messnetz]). Gemeinsam mit dem Agroscope Reckenholz-Tänikon und MeteoSchweiz hat die ETH im Rahmen des Projekts SwissSMEX [http://www.iac.ethz.ch/groups/seneviratne/research/SwissSMEX] (Swiss Soil Moisture Experiment) schweizweit 19 Stationen mit Bodensonden eingerichtet. Aufgezeichnet werden die Bodentemperatur und der Wassergehalt in verschiedenen Tiefen.
Weltweit sind solche detaillierte Messungen allerdings selten. Für die Studie behalfen sich die Wissenschaftler daher mit Satellitendaten, die Informationen zur Feuchte der Bodenoberfläche bis zu einer Tiefe von zwei bis drei Zentimetern lieferten. Für eine genaue Untersuchung der Wasserverdunstung reichen diese Daten der Oberfläche jedoch nicht aus. Denn viel Wasser verdunstet über die Vegetation, wobei Pflanzen mit ihren Wurzeln Wasser aus der Tiefe nach oben transportieren. Die Wissenschaftler schätzten daher die Bodenfeuchte bis zu einem Meter Tiefe, wozu zu sie ergänzend zu den Niederschlagsangaben und der Oberflächenbodenfeuchte auch Informationen zu Strahlung und Temperatur auswerteten.
Über 100‘000 Regenereignisse analysiert
«Wir haben ein Raster über die Erdoberfläche gespannt, mit Hilfe eines Algorithmus über 100‘000 individuelle Regenereignisse aus den Jahren 2002 bis 2011 identifiziert und dann die Bodenfeuchte vor diesen Ereignissen analysiert», erläutert Guillod die Methode. Die Vorgängerstudien hatten sich entweder nur auf den räumlichen Aspekt – wo es regnet – oder den zeitlichen – wann es regnet – beschränkt. «Erst unsere Studie zeigt den gesamten zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zwischen Bodenfeuchte und Niederschlag», sagt Guillod.
Dennoch warnt er vor voreiligen Schlüssen: «Die Frage, wann genau es zu Niederschlägen kommt, ist wegen der Komplexität der Prozesse noch nicht endgültig geklärt.» Leistungsstärkere Computer, detailliertere Simulationen und Modellexperimente sollen künftig weiterführende Antworten dazu liefern, wie stark die Niederschlagsereignisse jeweils von Bodenfeuchte und von atmosphärischen Prozessen beeinflusst werden.
Die Antworten auf diese Fragen könnten in Zukunft auch helfen, andere Klimaprozesse besser zu verstehen. «Sie spielen auch eine Rolle für die Wechselwirkung zwischen Bodenfeuchte und Pflanzenwachstum», erläutert Sonia Seneviratne. Solche Angaben könnten zum Beispiel als Grundlage zur Erforschung der Folgen grossflächiger Bewässerungsanlagen in der Landwirtschaft dienen. Oder sie könnten Aufschluss darüber geben, ob sich die Ausdehnung von Trockengebieten durch Bepflanzung und Bewässerung vermindern lässt.
Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich) (idw)