Plastiktüten ohne Ende: Umweltministerin Barbara Hendricks knickt einmal mehr vor Handelskonzernen ein
Archivmeldung vom 26.04.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm April 2015 hat die EU durch eine bemerkenswert klare Richtlinie die Mitgliedsstaaten aufgefordert, den hohen Verbrauch von Plastiktüten wirksam einzudämmen. In Deutschland werden derzeit pro Jahr 6,1 Milliarden umweltbelastender Plastiktüten herausgegeben. EU-Staaten wie beispielsweise Irland, Dänemark oder England haben durch wirksame gesetzliche Maßnahmen die Plastiktütenflut eindrucksvoll reduziert.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hingegen knickt einmal mehr vor den Interessen der Handelskonzerne ein und verzichtet nicht nur auf eine gesetzliche Regelung: Mit der für heute geplanten Unterzeichnung einer "freiwilligen Vereinbarung" mit dem Handelsverband erklärt sie sich zudem ausdrücklich einverstanden, dass nur 60 Prozent der in Verkehr gebrachten Plastiktüten etwas kosten sollen. Dabei handelt es sich jedoch überwiegend um Tüten, für die bislang schon Geld verlangt wurde, wie beispielsweise in Supermärkten.
"Die Bundesregierung setzt konsequent ihren wirtschaftsliberalen Kurs fort, verzichtet auf eine gesetzliche Regelung zur Vermeidung von Plastiktüten und ist erstmals bereit, eine 'Freiwillige Selbstverpflichtung' zu akzeptieren, die sich nur auf etwas mehr als die Hälfte der in Verkehr gebrachten Plastiktüten bezieht. Übertragen auf die Verkehrssicherheit ist das so, als würde der ADAC feierlich erklären, dass sich künftig 60 Prozent der Verkehrsteilnehmer korrekt verhalten und die Bundesregierung zukünftig Geschwindigkeitsverstöße nicht mehr ahndet", kritisiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH).
Der Leiter für Kreislaufwirtschaft bei der DUH, Thomas Fischer, fügt hinzu: "Die Vereinbarung sieht keinen Mindestbetrag für Plastiktüten vor und es fehlen Sanktionen, falls sich Händler nicht an die Selbstverpflichtung halten. Wenn der freiwillig von den Händlern zu bestimmende Plastiktütenpreis zu niedrig ist, dann werden Verbraucher auch weiterhin massenhaft Wegwerftüten konsumieren. Die eingenommenen Gelder reichen jedoch aus, um das Angebot von Plastiktüten zu refinanzieren und sich nebenbei noch eine goldene Nase zu verdienen. Das ist Umweltschutz absurd."
Die DUH fordert Umweltministerin Hendricks auf, die Unterschrift unter der Vereinbarung zu verweigern. Gleichzeitig soll sie eine verpflichtende Abgabe auf alle in Verkehr gebrachten Einweg-Plastiktüten in Höhe von 22 Cent einführen. Dies würde tatsächlich die kostenlose Abgabe der Wegwerftüten verhindern und zudem vermeiden, dass sich Handelsunternehmen mit dem Verkauf umweltbelastender Plastiktüten zusätzlich bereichern.
Weil bei einer Abgabe die eigenommenen Gelder an den Staat abgeführt werden müssen, würden Plastiktüten für den Handel damit tatsächlich unattraktiv. Mit den Einnahmen einer Abgabe könnten Projekte zur Vermeidung von Abfall finanziert werden. Das Beispiel Irland zeigt, welche Wirkung eine Abgabe haben kann: Der Plastiktütenverbrauch konnte dort durch eine Abgabe in Höhe von 22 Cent von 328 auf nur noch 16 Stück pro Kopf und Jahr gesenkt werden.
Eine Richtlinie der Europäischen Union vom April 2015 verpflichtet die Bundesregierung, den Verbrauch von Plastiktüten deutlich zu reduzieren. Ab 2020 soll der Verbrauch auf 90 Plastiktüten und ab 2026 auf 40 Stück pro Einwohner gesenkt werden. Derzeit werden in Deutschland pro Kopf und Jahr 76 Plastiktüten verbraucht. In anderen europäischen Ländern sind es deutlich weniger: In Luxemburg 20 und in Dänemark sowie Finnland nur 4 Tüten pro Kopf und Jahr.
Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V. (ots)