Golfstrom-Ringe düngen Atlantik mit Eisen
Archivmeldung vom 02.07.2018
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittETH-Forscher entdeckten zufällig, dass der Golfstrom eisenreiche Küstenwassersäulen abspaltet, die Eisen in das eisenarme Meerwasser des grossen Nordatlantischen Wirbels transportieren. Bislang ging man davon aus, dass dieser Ozean das Spurenmetall vor allem aus Saharastaub erhält.
Winzige Meereslebewesen wie Cyanobakterien brauchen grosse Mengen an Spurenelementen wie Zink oder Eisen. Allerdings ist letzteres in den Ozeanen meist Mangelware. Dies gilt auch für weite Teile des Nordatlantiks, insbesondere für den grossen nordatlantischen Wirbel (North Atlantic Gyre) zwischen Nordamerika, den Kanarischen Inseln und der Karibik, und den Golfstrom.
Die Forschung ging bisher davon aus, dass Saharastaub die einzige bedeutende Eisenquelle des nordatlantischen Wirbels ist. Die ETH-Geochemiker Tim Conway und Gregory de Souza haben nun aber eine weitere Eisenquelle entdeckt: kaltes eisenreiches Wasser des nordamerikanischen Kontinentalabhangs (Slope Sea Water), das von Mäandern des warmen Golfstroms gefangen und in den nordatlantischen Wirbel transportiert wird. Ihre Studie wurde soeben in der Fachzeitschrift «Nature Geoscience» veröffentlicht.
Ringe auf der Oberfläche
Auf der Meeresoberfläche sind diese Wassertaschen als Ringe erkennbar. Die grössten von ihnen haben einen Durchmesser von 200 Kilometer. Unter der Meeresoberfläche liegen zylinderförmige Säulen, die bis in 1000 Meter Tiefe reichen und sich im Gegenuhrzeigersinn um die eigene Achse drehen. Sie haben rund zwei Jahre Bestand, währenddem sie sich, an Drehgeschwindigkeit verlierend, im nordatlantischen Wirbel mit dessen Wasser vermischen und dieses mit Eisen anreichern. Ein Teil der Wasserzylinder kehrt jedoch zurück zum Golfstrom und wird von ihm wieder aufgesogen.
«Dieser Eiseneintrag liegt wohl in der gleichen Grössenordnung wie derjenige aus Saharastaub, da sich laufend Golfstrom-Ringe bilden. Staubstürme hingegen sind meist nur kurze Episoden», sagt de Souza, Oberassistent am Institut für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich.
Aus Neugier über eisenreiches Wasser «gestolpert»
Auf die eisenführenden Golfstrom-Ringe stiessen er und der ehemalige Postdoktorand Tim Conway zufällig. Die beiden Forscher sichteten aus Neugier neue öffentlich zugängige Messdaten, die ein Forschungsschiff während einer Messfahrt von Nordwest nach Südosten von der nordamerikanischen Küste aus aufgenommen hatte. Die Messdaten umfassten unter anderem die Eisen- und Zinkkonzentration des Meerwassers von der Oberfläche bis zum Meeresgrund.
Den ETH-Forschern fiel auf, dass die Eisenkonzentration in oberflächennahen Gewässern des nordatlantischen Wirbels punktuell erhöht war und ähnliche Werte erreichte wie das küstennahe Wasser. Ihnen wurde klar, dass die Golfstrom-Ringe Eisen in den nährstoffarmen Nordatlantik transferieren.
Quantitative Schätzung schwierig
Um die Menge des auf diese Weise eingetragenen Eisens genauer abschätzen und berechnen zu können, kontaktierten die ETH-Forscher ihre Kollegin Jaime Palter, Professorin an der Rhode Island Universität, eine Spezialistin für Ozeanzirkulation. «Man kann die Wassersäulen mit Satelliten als Ringe erkennen. Da ihr Wasser dichter ist als das des umgebenden Meeres, bilden die Ringe Senken, die bis zu einem Meter tiefer liegen als die restliche Meeresoberfläche», erklärt de Souza.
Palter zählte anhand der Satellitendaten aus, wie viele Ringe sich pro Jahr vom Golfstrom abkoppelten: im Durchschnitt sieben bis acht; daraus konnten die Forscher den Eiseneintrag abschätzen. Er liegt möglicherweise bei rund 15 Prozent des Eisenbeitrags des Saharastaubs.
Der Vergleich mit dem Staubeintrag sei jedoch sehr schwierig, da die Datenlage ungenügend und widersprüchlich sei, sagt de Souza. «Es ist vor allem nicht klar, wie viel Eisen aus Saharastaub tatsächlich im Meerwasser gelöst wird.» Der Anteil durch die Golfstrom-Ringe könnte ebenso gut zwischen 3 und 75 Prozent betragen. Diese grosse Spanne verunmögliche es, den Beitrag der Golfstrom-Ringe am Eiseneintrag im Vergleich zum dem aus Saharastaub präziser einzugrenzen.
«Wir benötigen räumlich höher aufgelöste Daten, um damit den Eiseneintrag aus den Ringen genauer berechnen zu können – und ein besseres Verständnis davon, welche Parameter die Löslichkeit von Staubeisen bestimmen.»
Spurenmetalle als Treiber der biologischen Aktivität
Eisen, Zink und weitere Spurenmetalle sind für Plankton und andere mikroskopisch kleine Meeresbewohner wie Kieselalgen, Algen oder Bakterien lebenswichtig. Gerade Cyanobakterien, die im nordatlantischen Wirbel besonders häufig sind, spielen beim weltweiten Kohlenstoff- und Stickstoffkreislauf eine wichtige Rolle. Sie können sowohl Photosynthese betreiben als auch Luftstickstoff binden. Damit kurbeln die Cyanobakterien die Produktivität in den Ozeanen an. Um effizient Stickstoff binden zu können, brauchen sie allerdings grosse Mengen an Eisen.
Ändert sich die Zirkulation in den Ozeanen, ändert sich auch die Verteilung und Verbreitung von Spurenelementen und Nährstoffen. «Es ist daher wichtig, dass wir wissen, woher Eisen, Zink und andere Metalle stammen», sagt de Souza auch im Hinblick darauf, dass der Klimawandel die Zugbahnen von grossen Meeresströmungen verändern könnten. «Momentan reicht unser Verständnis nicht aus, um vorauszusagen, welche Konsequenzen das für die Verteilung der Spurenmetalle, und somit für die Produktivität der Meere haben könnte.»
Conway TM, Palter JB, de Souza GF. Gulf Stream rings as a source of iron to the North Atlantic subtropical gyre. Nature Geoscience, published online 2nd July 2018, doi: 10.1038/s41561-018-0162-0
Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich) (idw)