Spektakuläres Artenschutzprojekt soll Zwerggänse retten
Archivmeldung vom 19.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit einer beispiellosen Gemeinschaftsaktion will die Aktion Zwerggans e.V. zusammen mit internationalen Partnern die Population der letzten skandinavischen Zwerggänse retten. Die Zwerggans (Anser erythropus) ist zwar streng geschützt wird aber auf ihrer östlichen Zugroute zusammen mit der intensiv bejagten Blässgans abgeschossen.
Der Kern des Artenschutzprojektes ist die Wiederherstellung einer
früheren, heute sicheren Zugroute. Dabei werden 25 junge Zwerggänse
im Spätsommer mit zwei Ultraleichtflugzeugen von Nordschweden über
Dänemark nach Deutschland an den Niederrhein zur Überwinterung
geleitet. Von dort werden sie sich im Frühjahr selbständig auf den
Weg zum Brut- und Sommergebiet in Nordschweden machen. Die Zugroute
haben sie sich auf dem Hinflug für immer eingeprägt.
"Angesichts des sich abzeichnenden Klimawandels und des hohen
Zerschneidungsgrads der Landschaft in Europa zeigt die Aktion
Zwerggans, wie wichtig naturbelassene adäquate Lebensräume als
"Trittsteine" auf den Wegen der Zugvögel sind. Nach den
Modellrechnungen von Klimaforschern wird mit einem Verlust von 5 - 30
Prozent aller Pflanzen- und Tierarten für Deutschland gerechnet,"
sagte der Schirmherr der Aktion, Prof. Dr. Hartmut Vogtmann,
Präsident des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). "Nur durch die
Verbindung der Lebensräume können Arten, die von der Verschiebung von
Klimazonen betroffen sind, neue und für sie geeignete Lebensräume
finden und ihr Areal ihren Ansprüchen an die Umweltbedingungen
entsprechend verlagern. Im europäischen Rahmen werden die notwendigen
Gebiete, wo Zugvögel, hier die Gänse, ruhen und "auftanken" können,
durch das europäische Netzwerk Natura 2000 (FFH- und
Vogelschutz-Richtlinie) geschützt. Die FFH- und
Vogelschutz-Richtlinie sind die effektivsten Instrumente, die die EU
zur Erhaltung der biologischen Vielfalt geschaffen hat", erläuterte
BfN-Präsident Vogtmann.
Die Situation für die skandinavische Population ist besonders
dramatisch: 1950 schätzten Forscher den Bestand noch auf 10.000
Vögel. Heute leben dort nur noch weniger als 100 Tiere mit knapp 20
Brutpaaren. In Europa zählt die Zwerggans zu den am stärksten
bedrohten Vogelarten. In Schweden und Finnland brüten keine
Zwerggänse der ursprünglichen Population mehr, die letzten
verbliebenen Vögel werden in Norwegen vermutet. Trotz des weltweiten
Verbots werden die Zwerggänse während des Zuges und in den
Überwinterungsgebieten abgeschossen, weil sie gemeinsam mit
Blässgänsen ziehen. Die starke Ähnlichkeit mit der Blässgans wird der
Zwerggans zum Verhängnis. Die Verluste kann die Population durch ihre
natürliche Fortpflanzungsrate nicht mehr ausgleichen.
Der Gänseforscher Dr. Johan Mooij hat als Koordinator der
nationalen Gänsezählungen die Beobachtungsdaten von 1900 bis heute
aus Schweden und Deutschland ausgewertet. Die Analyse dieser Daten
zeigt eine traditionelle Zwerggans-Wanderroute von Lappland entlang
der schwedischen Küste nach Südschweden auf, die sich dann entlang
der Deutschen Nordseeküste fortsetzt. Aufgrund der schutzgebiets- und
jagdrechtlichen Situation scheint diese alte Route bestens geeignet
für den Aufbau einer neuen stabilen Population.
Voraussetzung für den Erfolg eines Wiedereinbürgerungsprojekts ist
die genetische Reinheit der Zuchttiere, die für die
Wiedereinbürgerung verwendet werden. Dieser Nachweis ist Prof. Dr.
Michael Wink und seinen Mitarbeitern von der Universität Heidelberg
gelungen. Dazu wurde die DNA von 270 Zwerggänsen aus Zuchtbeständen
und wilden Populationen durch Sequenzierung von DNA-Markern und durch
DNA-Fingerprintverfahren untersucht. Die genetischen Untersuchungen
zeigten, dass die Zwerggänse aus deutschen Zuchtbeständen für eine
Nachzucht im Projekt Zwerggans geeignet sind.
Beim internationalen Pilotprojekt Aktion Zwerggans / Operation
Fjällgas / Operation Lesser Whitefront werden die Eier der getesteten
Vögel ab Mitte Mai nach Nordschweden gebracht und dort künstlich
ausgebrütet. Bereits vor dem Schlüpfen werden die Küken im Ei mit den
Geräuschen des Flugzeugmotors vertraut gemacht. Nach dem Schlüpfen
prägen die Betreuer dann die Küken auf sich und das Fluggerät. Im
Gefolge des Ultraleichtflugzeuges lernen die Tiere in Lappland das
Fliegen und prägen sich dabei ihr späteres Brutgebiet ein.
Sobald die jungen Gänse kräftig genug sind, beginnt der Zug in das
Überwinterungsgebiet. Er startet Mitte August in den Bergen
Nordschwedens und endet Anfang Oktober auf der Bislicher Insel am
Niederrhein. Dieses europäische Vogelschutz- und FFH-Gebiet ist eines
der wichtigsten Überwinterungsgebiete für arktische Gänse in
Deutschland. Dort angekommen, reduzieren die Betreuer schrittweise
den Kontakt zu den Zwerggänsen. Die Jungvögel schließen sich mehr und
mehr den anderen Gänsen an und fliegen mit ihnen zu den nahen Futter-
und Übernachtungsplätzen. Im Frühjahr ziehen die Zwerggänse dann -
diesmal ohne menschliche Begleitung - selbständig zurück nach
Lappland. Den Weg dorthin haben sie sich auf dem ersten Flug für
immer eingeprägt.
Das Projekt wurde vom Deutschen Aero Club initiiert und maßgeblich
vorbereitet. Zusammen mit der Allianz Umweltstiftung, dem Bundesamt
für Naturschutz und weiteren starken Partnern soll es ab 2007
umgesetzt werden.
Projektpartner: Aktion Zwerggans e.V.; (Projektträger), Allianz Umweltstiftung (Hauptförderer), Biologische Station im Kreis Wesel, Bundesamt für Naturschutz (Wissenschaftliche Beratung), Deutscher Aero Club (DAeC; Initiator und ideeller Träger), Friends of the Lesser White-fronted Goose Finland, Institut für Biodiversität Netzwerk e.V., IPMB/Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Lycksele Zoo, Swedish Association for Hunting and Wildlife Management, Tierpark Cottbus
Quelle: Pressemitteilung Aktion Zwerggans e.V.