Offener Brief an Julia Klöckner: Machen Sie endlich Ernst mit dem Neonicotinoid-Verbot!
Archivmeldung vom 15.01.2021
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Freigeschaltet durch André OttDie Gefährdung bestäubender Insekten durch Neonicotinoide ist hinreichend belegt. Trotzdem billigt die Bundesregierung, dass diese zum Teil längst verbotenen Insektengifte weiter im Ackerbau eingesetzt werden.
Anlässlich der in mehreren Bundesländern erteilten Notfallzulassungen für den bienenschädlichen und deshalb eigentlich verbotenen Insektizid-Wirkstoff Thiamethoxam haben sich der Deutsche Berufs- und Erwerbs-Imker Bund e.V. (DBIB), der Imkerverband Rheinland-Pfalz und die Aurelia Stiftung mit einem offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sowie den Präsidenten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Friedel Cramer, gewandt.
Die Organisationen fordern darin unter anderem, bereits erteilte Notfallzulassungen zur Saatgutbehandlung im Zuckerrübenanbau dringend wieder zurückzuziehen und dafür zu sorgen, dass bienenschädigende Insektengifte künftig nicht mehr in blühende Pflanzen gespritzt werden.
Blütenspritzungen schaden Imkereien, Bienen und der Artenvielfalt
Ein besonderes Risiko für Bienen und Imkereien gehe in diesem Jahr von dem Insektengift Acetamiprid aus, heißt es in dem offenen Brief weiter. Acetamiprid wird häufig im Rapsanbau eingesetzt und gehört wie Thiamethoxam zu der Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide. Die Anwendung acetamipridhaltiger Mittel in der Vollblüte auch tagsüber während des Bienenflugs ist im Rapsanbau gängige Praxis. Solche Blütenspritzungen führen zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden bei Bienen und immer wieder auch zu bedenklichen Rückstandsbelastungen von Honig, was wiederum deutsche Imkereibetriebe existenziell gefährdet. Die Zulassung für Acetamiprid läuft in Deutschland Ende Februar 2021 aus, soll aber sehr wahrscheinlich verlängert werden.
Dass Acetamiprid hochtoxisch für Bienen ist, erkennen auch die zuständigen Behörden an. Das BVL stuft unter anderem das acetamipridhaltige Mittel Mospilan SG als "schädigend für Populationen von Bestäuberinsekten ein. Anwendungen des Mittels in die Blüte sollten vermieden werden oder insbesondere zum Schutz von Wildbienen in den Abendstunden erfolgen."[1]. Dieser Erkenntnis zum Trotz erlaubt das BVL aber weiterhin die Anwendung in der Blüte, stuft das Mittel sogar als "B4 - Bienenungefährlich"[2] ein und billigt Werbung der Hersteller und Händler, die ausdrücklich empfehlen, Mospilan SG in der Blüte anzuwenden.
Notfallzulassungen ohne Not erteilt
Die Notfallzulassungen für Mittel mit dem Wirkstoff Thiamethoxam erfolgen ebenfalls wider besseres Wissen um ihre umwelt- und bienenschädigende Wirkung. Laut des Europäischen Zuckerlobbyverbands sollen durch die Beizung von Zuckerrübensamen mit Thiamethoxam etwa zwölf Prozent Profit der Zuckerindustrie abgesichert werden.[3] Von einem Notfall kann hier nicht die Rede sein. Der ökologische Schaden sowie die wirtschaftlichen Risiken für Imkereien werden dabei billigend in Kauf genommen. Das Gleiche gilt für Rapsblütenspritzungen mit Acetamiprid. Sie dienen vornehmlich dazu, Höchsterträge abzusichern.
Die Belastung von Imkereiprodukten sowie der Bienengesundheit durch Neonicotinoide und andere Pestizide sei anhaltend hoch und besorgniserregend, kritisieren die Verfasser*innen des Briefes. Sie fordern daher:
- die Pestizidanwendung in blühenden Pflanzenbeständen als unmittelbarste Kontaminationsquelle wirksam zu unterbinden,
- Pestiziden mit dem Neonicotinoid-Wirkstoff Acetamiprid keine Neuzulassung zu erteilen,
- die Notfallzulassungen zur Saatgutbehandlung mit Neonicotinoiden zurückzuziehen.
Mit diesen Forderungen werden sich die Organisationen auch bei dem Protest des Agrarwende-Bündnisses "Wir haben es satt!" am kommenden Samstag, 16.01.2020, vor dem Kanzleramt in Berlin beteiligen.
"Wer der Biene schadet, gehört abgewählt!"
Johann Lütke Schwienhorst, Agrarreferent der Aurelia Stiftung, sagt: "Im Fall der Zulassungen von Neonicotinoiden wägt Ministerin Klöckner wieder einmal völlig einseitig wirtschaftliche Interessen der Agrarindustrie gegen den dringend notwendigen Schutz der Bienen und Biodiversität und die Interessen der Imker*innen ab. Wer der Biene derart schadet, gehört abgewählt!"
Annette Seehaus-Arnold, Präsidentin des Deutschen Berufs- und Erwerbs-Imker Bunds e.V., sagt: "Dass "Notfallzulassungen" für bienenschädigende Pestizide erteilt werden, ohne vorher eine Schadensabwägung mit den betroffenen Imker*innen und Naturschutzvertreter*innen vorzunehmen, ist eine Zumutung und besonders vor dem Hintergrund des Insektensterbens unverantwortlich. Ministerin Klöckner, machen Sie endlich Ernst mit dem Neonicotinoid-Verbot!"
Weiterführende Links:
Quelle: Aurelia Stiftung (ots)