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Feuertod vor 100 Millionen Jahren

Archivmeldung vom 07.09.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.09.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Dominik Pöpping  / pixelio.de
Bild: Dominik Pöpping / pixelio.de

Das nur 0,2 Millimeter winzige Jungtier einer Hornmilbe hatte keine Chance: Es wurde vor rund 100 Millionen Jahren von einem Waldbrand überrascht, als es an einer Blüte fraß. Für die Wissenschaft ist dieses Feuer-Schicksal ein Glück. Der Mini-Gliederfüßer verwandelte sich binnen Sekunden in Holzkohle und blieb dadurch der Nachwelt quasi als Standbild erhalten. Ein internationales Team aus Paläontologen unter Federführung der Universität Bonn und des Geologischen Dienstes Nordrhein-Westfalen untersuchte nun diese verkohlten Überreste, darunter die Milbe und der älteste Nachweis einer Stechmücke.

In der Kreidezeit vor rund 100 Millionen Jahren entstanden in der Nähe von Wülfrath im Bergischen Land durch Auswaschung tiefe Höhlen im Kalkstein, die nach und nach durch Regenwasser mit Sand verfüllt wurden. Die Sande enthalten häufig Holzkohlenstücke, die durch Waldbrände entstanden sind. Die Kohle ist für die Wissenschaft ein äußerst wertvolles Archiv: Die räumliche Gestalt von Pflanzen- und Tierresten blieb darin praktisch unverändert. „Diese spektakulär gute Erhaltung ermöglicht Einblicke in ein längst vergangenes Ökosystem“, sagt Privatdozent Dr. Torsten Wappler vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn. So konnten seit 1997 hunderte Fossilien von sehr alten Blüten und verschiedenen Gliedertieren aus dem Sediment geborgen werden. Daran sind Details von Mundwerkzeugen, Facettenaugen oder Sinneshaaren gestochen scharf zu erkennen.

Die Milbe wurde von einem Waldbrand überrascht

Bei der Untersuchung der Funde gelang den Paläontologen der Universität Bonn, des Geologischen Dienstes NRW und des Naturkundemuseums Stockholm eine ganz besondere Entdeckung: Auf einer kleinen Blüte, die bei einem Waldbrand in Holzkohle umgewandelt wurde, fanden sie das nur 0,2 mm große Jungtier einer Hornmilbe, die mit dem Kopf in einem der Pollensäcke der Blüte steckt. „Als das Tier vom Waldbrand überrascht wurde, war es gerade dabei, Pollen der Blüte zu verzehren“, berichtet Wappler. Kotpillen auf der Blüte zeugen zudem von vorangegangenen Mahlzeiten. „Milben sind ein wichtiger Bestandteil der Bodenfauna“, sagt der Bonner Paläontologe. „Die Blüte ist außerdem bereits von Pilzhyphen überzogen.“ Wegen dieser Indizien gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Blüte verwelkt und von der Pflanze zu Boden gefallen ist, bevor sich die Hornmilbe darüber hermachte.

Winzige Schuppen einer Stechmücke

Auf zwei Blüten ist jeweils eine winzige Schuppe mit einer sehr charakteristischen Struktur erhalten. „Umfangreiche Vergleichsuntersuchungen zeigten, dass die Schuppe von einer Stechmücke, einem Vertreter der Culiciden, stammt“, erläutert Wappler. Die Blüte wurde also, bevor sie Nahrung für die Hornmilbe bot, von einer Stechmücke besucht. Vor allem männliche Stechmücken ernähren sich von Pflanzensäften wie Nektar, nur die Weibchen trinken Blut. „Ob die fossile Stechmücke - wie ihre gegenwärtigen Verwandten - auch eine wichtige Funktion bei der Bestäubung der Blüte hatte, lässt sich nicht aus der Fossilgemeinschaft ableiten“, sagt der Wissenschaftler der Universität Bonn. „Sicher ist jedoch, dass hier der älteste Nachweis der Stechmücken gelang, und damit eine interessante Facette in der komplexen Wechselwirkung zwischen Pflanzen und Gliedertieren vor 100 Millionen Jahren rekonstruiert werden konnte.“

Wertvolle Belege einer tiefgreifenden Veränderung der Pflanzenwelt

Die Fossilien sind wertvolle Belege einer tiefgreifenden Veränderung in der Kreidezeit. Damals kam es mit dem ersten Auftreten der Blütenpflanzen (Bedecktsamer) zu einem großen Umbruch, der als der bedeutsamste während der gesamten Entwicklung der Pflanzen angesehen wird. In kurzer Zeit entstanden rund 440 Familien mit heute etwa 250.000 Bedecktsamer-Arten. In der Folge machten auch die Gliederfüßer als ökologisch wichtige Gruppe eine rasche Evolution durch. „Sogar die Landwirbeltiere waren von den Veränderungen betroffen“, berichtet Wappler. „Zu Recht gilt daher die Kreidezeit als entscheidender Zeitabschnitt für den Ursprung der heutigen Ökosysteme des Festlandes.“

Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

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