Auch der Landesbetrieb Hessenforst jagt für die Tonne
Archivmeldung vom 11.01.2021
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Freigeschaltet durch André OttWinterspaziergang in einem Wald in der Wetterau, 40 km nördlich von Frankfurt. Es ist der 30. Dezember. In der Nacht gab es ein wenig Schnee. Schüsse, zwei Jagdhunde, die einem Reh hinterherjagen, ein tannengrüner Dienstwagen des Landesbetriebs Hessenforst, ein Anhänger. Darin vier tote Wildschweine, zwei Rehe.
Der Fall ist klar: Der Hessenforst jagt für die Tonne. Diese Tiere landen auf keinem Teller. Die Jäger des staatlichen Forstbetriebs fahren sie direkt zur Tierkörperbeseitigung. Anderenfalls hätten Rehe und Schwarzkittel schnellstmöglich nach dem Schuss aufgebrochen werden müssen. Bereits 30 bis 45 Minuten danach beginnt die Diffusion von Gasen und Bakterien durch den Darm in die Körperhöhlen, Organe und die Muskulatur. Wird erst dann aufgebrochen, können bereits giftige Substanzen entstanden sein.
In Deutschland werden Jahr für Jahr etwa sechs bis sieben Millionen Tiere im Rahmen der Jagd getötet. Wildtierschutz Deutschland geht davon aus, dass nur etwa die Hälfte der getöteten Tiere als Lebensmittel verwertet wird. Zur Verarbeitung zu Pelz oder zur sonstigen Verwertung gelangen etwa 0,2 Prozent aller Jagdopfer. Alle anderen Tiere werden verbrannt, verbuddelt, in die Hecke geworfen oder als Luder genutzt, um Füchse oder Wildschweine unter den Hochsitz zu locken.
"Es sind nicht nur Rabenkrähen, Füchse oder Schwäne, die nicht verwertet werden," erläutert Lovis Kauertz, Vorsitzender von Wildtierschutz Deutschland, "auch ein beträchtlicher Teil der erlegten Wildschweine oder Rehe wird nicht als Nahrungsmittel genutzt. Wir gehen davon aus, dass regelmäßig etwa 100.000 bis 200.000 Rehe und etwa ein Drittel bis die Hälfe der Wildschweinstrecke (im Jagdjahr 2019/2020 waren das über 880.000 Tiere) nach der Jagd entsorgt werden. Die aktuelle Corona-Pandemie verschärft diese Situation nochmal, da die Gastronomie als Abnehmer ausfällt."
Die Jagd macht in vielen Fällen weder ökologisch, noch wirtschaftlich, noch aus Gründen der Seuchenprofilaxe einen Sinn. Das in weiten Teilen immer noch auf dem Reichsjagdgesetz beruhende Bundesjagdgesetz bedarf dringend einer Novellierung, die diesen Namen auch verdient. Zahlreiche Kritiker vermissen bei der aktuell anstehenden Änderung des Jagdgesetzes nicht nur die Orientierung an Erkenntnissen der Forschung der vergangenen Jahrzehnte, sondern auch die Anpassung an gesellschaftliche Entwicklungen, die sich nicht zuletzt im Staatsziel Tierschutz widerspiegeln.
Quelle: Wildtierschutz Deutschland e.V. (ots)