Mikroplastik in neuer Tiefsee-Spezies entdeckt: Forscher taufen Flohkrebs offiziell "Plasticus"
Archivmeldung vom 05.03.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.03.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttEr ist nur fünf Zentimeter groß, sein Zuhause liegt in rund 6500 Metern Tiefe im Pazifischen Ozean und er hat trotzdem Plastik im Körper: Eurythenes plasticus. Die neu entdeckte Tiefsee-Spezies ist eine Flohkrebs-Art, die Forscher der Newcastle Universität im Marianengraben in der Nähe der Philippinen, an einem der tiefsten Punkte der Erde, gefunden haben. "Eurythenes plasticus" tauft der Leiter der Forschungsmission, Dr. Alan Jamieson, die neue Art.
"Mit dem Namen wollen wir ein starkes Zeichen gegen die Meeresverschmutzung setzen und deutlich machen, dass wir dringend etwas gegen die massive Plastikflut tun müssen", kommentiert Jamieson. Die Ergebnisse der Forschungen haben die Wissenschaftler:innen rund um Jamieson mit Unterstützung des WWF Deutschland heute in der renommierten Fachzeitschrift Zootaxa veröffentlicht (Link zum wissenschaftlichem Paper).
"Die neu entdeckte Spezies Eurythenes plasticus zeigt, wie weitreichend die Folgen unseres laxen Umgangs mit Plastik sind. Es gibt Arten, die in den tiefsten und abgelegensten Stellen unseres Planeten leben und trotzdem schon heute massiv mit Plastik kontaminiert sind. Plastik ist in der Luft, die wir atmen, dem Wasser, das wir trinken und in den Tieren, die fernab der menschlichen Zivilisation leben", kommentiert Heike Vesper, Leiterin des WWF-Zentrums für Meeresschutz. In dem Flohkrebs wurde Polyethylenterephthalat (PET) gefunden, ein Stoff der in vielen Alltagsgegenständen wie Einwegtrinkflaschen und Sportkleidung enthalten ist. "Die Plastikkrise geht uns alle etwas an, denn wir alle nutzen PET im Alltag", so Vesper.
Der Weg des Plastiks von menschlicher Nutzung in Tiere wie E. plasticus ist lang und startet auch in Industrienationen wie Deutschland. Deutschland ist nach den USA und Japan weltweit der drittgrößte Exporteur von Plastikmüll. Der Plastikmüll endet oft in südostasiatischen Ländern mit schlechtem oder keinem Abfallmanagement. Dort kann er häufig nicht recycelt werden, sondern wird verbrannt oder landet auf Deponien - und gelangt auch von dort aus ins Meer. Im Wasser wird der Plastikmüll zu Mikroplastik zerkleinert, verteilt sich und wird von Tieren wie E. Plasticus aufgenommen.
"Um die globale Plastikflut zu stoppen, braucht es eine globale Lösung. Der WWF setzt sich daher für ein internationales Abkommen ein, das weltweit die Müllreduktion und ein verbessertes Abfallmanagement gesetzlich vorschreibt. Deutschland gehört zu den Top-Verursachern von Verpackungsmüll in der Europäischen Union. Die Bundesregierung trägt deswegen auch eine besondere Verantwortung, ein solches Abkommen voranzutreiben", so Vesper. "Nicht alle gefundenen Exemplare der neuen Spezies E. plasticus hatten bereits Plastik im Körper. Es besteht also noch Hoffnung, dass andere Exemplare von E. plasticus ihrem Namen nicht gerecht werden und sie plastikfrei bleiben. Dafür muss Umweltministerin Svenja Schulze sich allerdings nachdrücklich auf internationaler Ebene für ein Abkommen gegen Plastikmülleintrag in die Meere einsetzen."
Pro Minute gelangt eine LKW-Ladung Plastikmüll in die Weltmeere. Um diese ungeheure Plastikflut einzudämmen, hat der WWF eine weltweite Petition gestartet. Auf der Seite wwf.de/plasticus können Unterstützer:innen die Staatsoberhäupter der Welt auffordern, sich für ein internationales Abkommen gegen den Plastikeintrag in die Meere einzusetzen.
Hintergrund
Der im Flohkrebs gefundene Kunststoff PET wird unter anderem zur Herstellung von Einwegtrinkflaschen, Folien und Textilfasern verwendet. PET und andere Kunststoffe können sich im Meer mit Schadstoffen aus der Industrie und der Chemie verbinden, die sich in der Umwelt nur sehr langsam abbauen. Mikroplastikpartikel gelangen problemlos in die Körper von Meerestieren. Welche konkreten Auswirkungen das hat, ist noch nicht ausreichend erforscht. Doch eines ist sicher: Plastik enthält oft auch Zusatzstoffe wie Weichmacher und Flammschutzmittel, die den Meeresbewohnern schaden und durch die Nahrungskette auch den Menschen erreichen können.
Quelle: WWF World Wide Fund For Nature (ots)