Benzin aus Luft
Archivmeldung vom 30.03.2019
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBenzin tanken aus der Luft? Klingt verrückt, soll aber durch eine Anlage in Karlsruhe Wirklichkeit werden. Erneuerbarer Strom, Wasser und Kohlenstoffdioxid – mehr braucht die Technologie nicht, um Kraftstoffe zu erzeugen. Mögliche Anwendungsbereiche sind Wind- und Solarparks sowie Industrieanlagen, berichtet das russische online Magazin "Sputnik".
Weiter heißt es hierzu auf der deutschen Webseite: "Der Verbrauch von Kraftstoffen durch den Menschen ist aus zwei Gründen ein Problem: Der eine Grund ist ihre Endlichkeit. Die Ressource Erdöl ist begrenzt und bildet sich nicht so schnell nach, wie sie verbraucht wird. Eine Erschöpfung ist auf kurz oder lang abzusehen. Der andere Grund ist der menschengemachte Anteil am Klimawandel: Hier kommt nach dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2016 der Sonderbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) vom Oktober 2018 zu dem Schluss, dass für das erklärte Ziel einer Erderwärmung von maximal 1,5 Grad Celsius der CO2-Ausstoß bis 2050 auf Netto Null zu reduzieren ist.
Es gibt zwar einen Weg, die benötigten Moleküle künstlich direkt aus Kohle herzustellen, welcher schon in den 20er-Jahren in Deutschland entwickelt wurde. Die Erzeugnisse werden als synthetische Kraftstoffe bezeichnet. Allerdings ist dieser Prozess aufwendig und in einem klimapolitischen Sinne mit keinem Vorteil verbunden.
Die Bilanz der synthetischen Kraftstoffe ändert sich aber grundlegend, wenn deren Produktion an erneuerbare Energien gekoppelt wird. Genau das geschieht derzeit am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Rahmen des Kopernikus-Projektes „Power-to-X“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.
„Es handelt sich um eine vollintegrierte Anlage zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen aus CO2, Wasser und erneuerbarem Strom. Diese Umsetzung wird in einem Schiffscontainer derzeit aufgebaut und demnächst in Betrieb gehen“, teilt Michael Klumpp, Teil des Kopernikus-Projektteams vom KIT, gegenüber Sputnik mit.
Die vier Technologien dieser Prozesskette finden in dem Container Platz. Eine Filteranlage von der Schweizer Firma Climeworks gewinnt das Kohlenstoffdioxid aus der Umgebungsluft. In einem nächsten Schritt wandelt ein Co-Elektrolyse-Modul vom Dresdner Unternehmen Sunfire das CO2 und Wasserdampf in ein sogenanntes Synthesegas um. Dieses Synthesegas strömt weiter in einen „mikrostrukturierten Reaktor“ der Firma Ineratec – ein Spin-off des KIT – und wird dort zu synthetischen Kraftstoffen verbunden. Diese wiederum werden in einem letzten Schritt auf die gewünschte Länge gebracht, indem zu lange Kohlenwasserstoffketten mittels des sogenannten „Hydrocracking“ gespalten werden. Am Ende steht dann zum Beispiel Diesel – aus Luft, Wasser und Strom aus etwa Sonnen- oder Windenergie.
Die einzelnen chemischen Reaktionen sind lange bekannt, betont Klumpp, das Neue liegt darin, wie stark die Technologien geschrumpft wurden, „um dezentral zum Einsatz kommen zu können“. Ein Anwendungsbereich für solche Anlagen sind beispielsweise Windparks und Photovoltaikanlagen. „Bei einem weiteren Ausbau von Photovoltaik und Windkraft werde es zunehmend so sein, dass es Spitzen geben wird, die nicht verbraucht werden können“, so der KIT-Mitarbeiter. „Genau in dem Moment macht es Sinn, diesen Strom nicht abzuschalten, sondern zu nutzen, zu nutzen im Sinne von Speichern zum Beispiel in diesen chemischen Energieträgern.“ Daneben sind solche Anlagen an Orten sinnvoll, an denen viel CO2 anfällt – allen voran in großen Industriekomplexen. Auch dort könnten solche Anlagen das Treibhausgas abfangen und in Kraftstoff umwandeln. „In Zukunft wird es aber so sein, dass wir CO2 aus der Luft gewinnen müssen. Denn nur so können wir es schaffen, zu einer zirkularen CO2-Wirtschaft zu kommen, wo wir kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre entlassen, sondern maximal im Kreis führen“, so Klumpp.
Und wie steht es um die Automobilindustrie? Wird der Luftdiesel bald sein fossiles Pendant ersetzen? „Einen vollständigen Ersatz von Diesel und Kerosin durch solche eFuels sehe ich persönlich als sehr schwierig an, da es doch enorme Mengen sind, die wir in Flugzeugturbinen und Verbrennungsmotoren verbrauchen“, findet Klumpp. „Meiner Ansicht nach wird diese Technologie ein Puzzlestein sein für einen zukünftigen Mix aus verschiedenen Technologien, die wir für die Mobilität einsetzen werden.“ Im Flugverkehr könnte das e-Kerosin etwa Fuß fassen, auf dem Pkw-Markt sieht Klumpp dagegen das E-Auto das Steuer übernehmen.
Die Kopernikus-Anlage befindet sich derzeit noch im Stadium der Forschungdemonstrationsanlage. „Da werden ein paar Liter am Tag erzeugt“, bemerkt der Forscher. Derzeit dreht sich die Arbeit um eine Effizienzsteigerung der Technologie. „Jeder Umwandlungsschritt ist mit Verlusten behaftet. Wenn man mehrere Prozessschritte aneinander schaltet, dann summieren sich diese Verluste. Wir gehen davon aus, dass wir eine Energieeffizienz von 50 bis 60 Prozent erreichen können und eine Kohlenstoffumsetzung von 90 bis 100 Prozent, bezogen auf den Kohlenstoff aus dem CO2.“
Für die Zukunft gilt: Die Komponenten der Demonstrationsanlage sind skalierbar und modular. Will heißen: Sie können in verschiedenen Größen gebaut werden und auch parallelisiert und so zu größeren Einheiten verbunden werden, sodass sie sich an ihre Umgebung und die spezifischen Anforderung gut anpassen können werden.
Quelle: Sputnik (Deutschland)