Weibliche Blaumeisen singen bei Lebensgefahr
Archivmeldung vom 25.06.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Zwitschern von Singvögeln wurde lange Zeit mit der Partnersuche oder mit Konkurrenzverhalten verbunden. Die Männchen galten zudem als aktiver beim Gesang als Weibchen. Ein Forschungsteam der Vetmeduni Vienna zeigte nun, dass Weibchen viel gesangsfreudiger sind als bislang angenommen. Die ForscherInnen brachten erstmals den Gesang von weiblichen Blaumeisen mit der Bedrohung durch ein Raubtier in Verbindung. Damit schützen sie in erster Linie sich selbst und nicht ihr Gelege. Die Studie wurde im Journal of Ornithology veröffentlicht.
Den Gesang der Singvögel verband man bisher hauptsächlich mit Konkurrenzverhalten und Partnersuche. Lange Zeit hielt man auch die Männchen für die engagierteren Sänger. Weibchen wurden an dem Verhalten der Männchen gemessen und als eher „singfaul“ angesehen.
Diese Annahmen galten bislang auch für einen prominenten heimischen Singvogel, die Blaumeise. Weibliche Blaumeisen verfügen allerdings genau wie Männchen über eine Vielzahl an Gesangsmustern. Damit liegt nahe, dass sich die Gesangsleistung nicht ausschließlich auf die Partnersuche oder Konkurrenzkämpfe beschränkt.
Wann singt die weibliche Blaumeise
Herbert Hoi und Katharina Mahr vom Konrad Lorenz Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni Vienna gelang nun erstmals der Nachweis, dass die Blaumeisenweibchen auch in Gegenwart eines Räubers singen.
Der Gesang diente allerdings weder als Hilferuf, noch war er auf die Weibchen beschränkt. Die Forschenden setzten im Versuch zwei Attrappen von Fressfeinden ein um eine Reaktion der Vögel zu provozieren. „Wir bedrohten das Gelege von Blaumeisen entweder mit einer Attrappe eines Sperbers, also einem Greifvogel, oder einer Äskulapnatter. Dann haben wir die Reaktion von vornehmlich weiblichen Blaumeisen analysiert. Bei Singvogelmännchen war eigentlich schon bekannt, dass sie auf gefährliche Situationen mit Gesang reagieren können“, sagt Hoi.
Blaumeisen singen für sich selbst bei Lebensgefahr
Das Team der Vetmeduni Vienna dokumentierte nun gemeinsam mit Carlo Seifert von der Universität Süd-Böhmen zum ersten Mal Laute von weiblichen Singvögeln bei Gefahr. Ihr Gesang ähnelte stark dem der ebenfalls anwesenden Männchen in der nachgestellten Situation. Beide Geschlechter reagierten jedoch nur auf die Bedrohung durch den Greifvogel und nicht auf die Äskulapnatter. Der Sperber stellt nämlich eine Gefahr für die ausgewachsenen Vögel dar. Die Schlange ist hingegen nur eine Bedrohung für das Gelege und kann leichter vom Nest vertrieben werden.
Dennoch ist interessant, dass die Blaumeisen überhaupt auf die Bedrohung mit Gesang reagieren. Man könnte eigentlich davon ausgehen, dass sie durch den Gesang noch viel mehr Aufmerksamkeit erregen. „Möglicherweise deuten die Tiere eine erhöhte Fluchtbereitschaft an. Sie zeigen dem Räuber, dass sie ihn entdeckt haben und jederzeit flüchten können“, so Hoi.
Gesang kann auch Körperreiz oder Zuspruch sein
Für Hoi ist auch noch eine anderer, für uns Menschen leicht verständlicher, Grund möglich. Die Gegenwart eines Räubers bedeutet großen Stress. Der Gesang könnte also auch einfach durch einen hormonbedingten Reiz des Körpers entstehen oder in den Worten von Konrad Lorenz, eine „Übersprungshandlung“ darstellen.
Einen Hilferuf der Weibchen konnten die ForscherInnen dagegen ausschließen. In mehreren Fällen war das Männchen während des Versuchs in der Nähe. Beide sangen dann gemeinsam. Die Forscher deuten den gemeinsamen Gesang als ein gegenseitiges Mut zusprechen, zum Verstärken des Zusammenhalts eines Vogelpärchens.
Erforschung des Gesangsverhaltens hat Nachholbedarf
Die Forscher sehen trotzdem viel Nachholbedarf um das Gesangsverhalten der Singvögel genau einordnen zu können. „Unsere Arbeit bestätigt die Annahme, dass Weibchen ihren Gesang vielseitiger einsetzen, als nur zur Partnerwahl oder zur Verteidigung ihres Gebiets. Es bedarf aber noch weiterer Untersuchungen um die unterschiedlichen Gesangsmuster genau beurteilen zu können“, meint Hoi.
Quelle: Veterinärmedizinische Universität Wien (idw)