Gefährliche Liebschaften - erste Wirbeltierfossilien bei der Paarung gefunden
Archivmeldung vom 20.06.2012
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.06.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittInternationales Team um Tübinger Wissenschaftler präsentiert versteinerte Schildkröten als ältestes Bespiel von sich paarenden Wirbeltieren.
Fossile Funde bestehen weltweit hauptsächlich aus bruchstückhaften Überresten von urzeitlichen Tieren und Pflanzen. Manchmal jedoch findet man Fossilien, die erstaunliche Einblicke in das Leben und die Umwelt urzeitlicher Organismen bieten. Die zwischen Frankfurt und Darmstadt gelegene UNESCO-Welterbe Grube Messelist dafür bekannt, dass sie außergewöhnliche Funde in hoher Qualität hervorbringt. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Biology Letters“ publiziert ein internationales Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Dr. Walter Joyce vom Fachbereich Geowissenschaften der Universität Tübingen unter Beteiligung des Senckenberg Forschungsinstitutes Frankfurt und des Hessischen Landesmuseums Darmstadt den Fund mehrerer fossiler Schildkrötenpaare, die offensichtlich während des Geschlechtsaktes umgekommen sind.
“Unter den vielen zehntausenden Fossilien aus der Grube Messel kommen nur diese Schildkröten als Paare vor”, sagt Mitautor Dr. Stephan Schaal, Leiter der Messelforschung am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt. Nach einer genauen Analyse stellten die Wissenschaftler fest, dass man Männchen und Weibchen unterscheiden kann, und dass jedes Paar aus jeweils einer weiblichen und einer männlichen Schildkröte besteht. Obwohl die Männchen immer von den Weibchen weggedreht vorgefunden wurden, erkennt man, dass die Schwänze einiger Männchen unter dem Panzer der Weibchen eingehakt sind. „Ich habe keinen Zweifel, dass diese Tiere vor etwa 47 Millionen Jahren während der Paarung starben“, sagt Walter Joyce. „Wir kennen keine anderen Belege für Wirbeltiere, die bei diesem wichtigen biologischen Prozess starben und danach versteinert wurden.“
Die meisten Wissenschaftler sind sich einig, dass die Grube Messel als tiefer, vulkanischer Maarsee entstand, der Tiere und Pflanzen konservierte, die auf seinen vergifteten Grund herabsanken. Aber manche Details sind noch ungeklärt, beispielsweise ob das Wasser auch in den oberen Schichten giftig war. Die modernen Verwandten der versteinerten Schildkröten aus Messel haben eine durchlässige Haut, mit der sie atmen und für längere Zeit unter Wasser bleiben können. Diese hervorragende Anpassung wirkt jedoch tödlich, wenn die Schildkröten in giftiges Wasser geraten. Dass die Messel-Schildkröten sich im See paarten, ist ein Beweis dafür, dass die oberen Schichten vermutlich nicht giftig, sondern vielmehr ein lebhaftes Biotop waren. Viele Schildkröten scheinen aber bei der Paarung gestorben zu sein, als sie versehentlich ins tiefere, giftige Wasser herabsanken.
Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen (idw)