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Gülle-Dilemma im Ems-Gebiet: Deutsche Umwelthilfe reicht Klage gegen Landesregierung Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ein

Archivmeldung vom 20.11.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.11.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Gülle (Symbolbild)
Gülle (Symbolbild)

Bild: Erich Westendarp / pixelio.de

Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen leiden unter der Gülle-Problematik. Die Böden in Teilen beider Bundesländer können die hohen Stickstoffeinträge nicht mehr aufnehmen, das Grundwasser wird dauerhaft belastet.

Aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) haben die zuständigen Behörden über Jahre dabei versagt, Grund- und Oberflächengewässer ausreichend vor zu hohen Nitrat-Belastungen zu schützen, die Landwirtschaft mit einer Agrarwende neu auszurichten und gesetzliche Vorgaben umzusetzen. Für sauberes Wasser und die schnellstmögliche Einhaltung des Nitrat-Grenzwerts von 50 mg/l im Grundwasser hat die DUH daher am 20. November 2019 Klage beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg gegen das Land Niedersachsen und das Land Nordrhein-Westfalen auf Grundlage der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) eingereicht. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) unterstützt das Vorhaben der DUH.

Die WRRL gibt vor, dass sich alle Gewässer in der EU in einem guten ökologischen und chemischen Zustand befinden müssen. Doch der zulässige Nitrat-Grenzwert von 50 mg/l im Grundwasser wird an vielen Messstellen in der Region überschritten. 21 der insgesamt 40 Grundwasserkörper, beziehungsweise zwei Drittel der Gesamtfläche der Flussgebietseinheit (FGE) Ems auf deutschem Gebiet befinden sich in einem schlechten chemischen Zustand. Hauptgrund dafür ist die Überdüngung, die zu hohe Stickstoffeinträge zur Folge hat.

In Niedersachsen, Deutschlands Agrarland Nummer Eins, werden 60 Prozent der Landesfläche landwirtschaftlich genutzt. In der Weser-Ems-Region liegt das Zentrum der niedersächsischen Fleischproduktion. Hier werden die meisten der fast 65 Millionen Masthühner und neun Millionen Schweine gehalten. Um die Massen an Gülle und Gärresten bedarfsgerecht auf die Felder auszubringen, müsste Niedersachsen jedoch 200.000 Hektar größer sein.

Aus Sicht der DUH sorgt eine fehlgeleitete Agarpolitik ohne klare Leitplanken für Umweltschutz und Tierwohl für die Überdüngung und den desolaten Zustand der Böden und Gewässer. Eine Orientierung auf den Export zu Weltmarktpreisen verschärft die Situation. Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Die Wurzel allen Übels ist die auf intensive Landwirtschaft ausgerichtete Agrarpolitik. Masse statt Klasse in der Nutztierhaltung sorgt für viele Probleme, für Umwelt, Tiere und Landwirte. Auch die Wasserversorger stehen vor immer größeren Herausforderungen, die Trinkwasserqualität zu erhalten. Das ist die Folge jahrelangen Versagens der Bundes- aber auch der Landesregierungen. Die Gülle steht uns bis zum Hals - daher klagen wir für schnellstmögliche Maßnahmen und die Einhaltung des Nitrat-Grenzwerts."

Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender: "Wir brauchen einen fairen Umbau der Tierhaltung in Deutschland und einen gesellschaftlichen Konsens zur Zukunft der Landwirtschaft. Wir wollen die Bäuerinnen und Bauern beim Umbau der Tierhaltung nicht allein lassen, sondern Lösungen finden, bei denen gute Einkommen in der Landwirtschaft erzielt werden, sauberes Grund- und Trinkwasser gesichert ist und umwelt- und tiergerechte Produkte erzeugt werden, die die Menschen auf dem Teller haben wollen. Dazu muss der Deutsche Bauernverband seine Blockade gegen den Umbau in der Nutztierhaltung und der EU-Agrarförderung im Sinne sicher Jobs, sauberen Wassers und hoher Qualitätsstandards in konventioneller und ökologischer Landwirtschaft beenden."

Bereits 2013 leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik ein und verurteilte diese schließlich, weil die Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie zum Schutz des Grundwassers vor Nitrateinträgen nicht ausreichend umgesetzt wurden. Doch statt daraufhin engagiert den Gewässerschutz voranzubringen, reagierte die Bundesregierung mit Salamitaktik. Nach erneuter Strafandrohung durch die EU-Kommission muss nun die 2017 verabschiedete Düngeverordnung nachgebessert werden, weil sie - wie von Umweltverbänden vorhergesagt - nicht ausreicht, um die Nitratbelastungen zu reduzieren. Bäuerinnen und Bauern werden mit unsicheren Vorgaben im Regen stehen gelassen.

Die DUH und BUND fordern die beklagten Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen auf, ein Maßnahmenprogramm für die Flussgebietseinheit Ems zu erstellen, das sicherstellt, dass der Grenzwert für Nitrat schnellstmöglich in allen Grundwasserkörpern eingehalten wird.

Dazu Caroline Douhaire, Rechtsanwältin: "Die verbindlichen Ziele zum Schutz des Grundwassers werden auch nahezu 20 Jahre nach Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie verfehlt. Dies ist auch mit Fristverlängerungs- und Ausnahmegründen nicht zu rechtfertigen. Die Bürgerinnen und Bürger haben vielmehr ein Recht auf sauberes Wasser. Der EuGH hat erst jüngst wieder bestätigt, dass Umweltverbände dieses Recht vor Gericht durchsetzen können."

Konkret fordern DUH und BUND eine flächengebundene Tierhaltung von maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar. Der ökologische Landbau muss stärker als bisher bei der Umstellung und Vermarktung mit den richtigen Anreizen gefördert werden.

Die Organisationen betrachten mit Sorge, dass die Trinkwasseraufbereitung durch die hohe Nitratbelastung immer teurer wird. In Niedersachsen werden rund 85 Prozent des Trinkwassers aus dem Grundwasser gewonnen. Um Trinkwasser vor Verunreinigungen durch Nitrat zu schützen und die Qualität zu erhalten, müssen Wasserversorger immer mehr investieren, so baden am Ende die Verbraucherinnen und Verbraucher mit der Wasserrechnung die Misere aus.

Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V. (ots)

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