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GRÜNE fordern unabhängige Atomaufsicht durch den Bund

Archivmeldung vom 16.11.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.11.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Komplettes Versagen der Atomaufsicht, unzulängliche Information der Öffentlichkeit und fehlende Konsequenzen aus den jüngst entdeckten Sicherheitsmängeln des Atomkraftwerks Biblis wirft die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Minister Dietzel (CDU) vor.

Das Versagen der Atomaufsicht reicht vom fehlerhaften Handeln eines Gutachters bis hin zu strukturellen Defiziten. DIE GRÜNEN fordern deshalb eine unabhängige Atomaufsicht auf Bundesebene einzurichten, um die notwendige Fachkompetenz frei von wirtschaftlichen Verflechtungen mit der Atomindustrie sicherzustellen. Als Sofortmaßnahme verlangen sie die in Hessen bundesweit einmalige Trennung zwischen Atom- und Bauaufsicht für das Atomkraftwerk aufzuheben.

"Nur einem glücklichen Zufall ist die Entdeckung zu verdanken, dass bei den Nachrüstmaßnahmen in den Jahren 2002 bis 2005 so sehr geschlampt wurde, dass die Sicherheit nicht mehr gegeben ist und die Blöcke A und B abgeschaltet werden mussten", kritisiert die umweltpolitische Sprecherin der GRÜNEN, Ursula Hammann, und verweist auf die Beantwortung ihres Dringlichen Berichtsantrags durch Dietzel. Im Rahmen einer planmäßigen Revision sei der Block A des AKWs Biblis am 15. September 2006 heruntergefahren und am 16. September eine Begehung durchgeführt worden, um die Arbeiten vorzubereiten. Dabei sei zufällig per Augenschein festgestellt worden, dass Dübel bei der Befestigung des sicherheitsrelevanten Speisewassersystems verschoben waren. Dietzel musste zugeben, dass die hessische Atomaufsicht bereits am 20. September darüber informiert wurde.

"Eine Information der Öffentlichkeit erfolgte jedoch weder durch RWE noch durch das Ministerium. Und es dauerte einen ganzen Monat bis zum 16. Oktober bis Block B abgeschaltet wurde, obwohl von Anfang an klar war, dass dieselben Dübel von der gleichen Firma eingebaut worden waren. Anstatt die Sicherheitsrelevanz der falsch montierten Dübel schnellstmöglich zu klären, stellte RWE nur sechs Tage nach Information der hessischen Atomaufsicht am 26. September einen Antrag auf Verlängerung der Laufzeiten von Biblis A. Und Dietzel stellte nicht zuerst die Sicherheitsfrage, sondern begrüßte trotz der offensichtlichen Probleme ausdrücklich den Antrag von RWE. Dies zeigt deutlich, dass die Interessen von RWE bei ihm weit mehr Gewicht haben als die Sicherheit der Bevölkerung. Bis heute wurde keine atomrechtliche Einstufung des Vorfalls durch RWE und die allein zuständige hessische Atomaufsicht veröffentlicht", kritisiert Ursula Hammann.

Nach Auffassung der GRÜNEN zeigt aber nicht nur der zeitliche Ablauf, dass Minister Dietzel nicht zu einer wirkungsvollen Kontrolle von RWE in der Lage ist. So erklärte er auf Nachfrage, dass die Dübel durch die Firma Hochtief eingebaut wurden. RWE war bis 2004 Mehrheitsaktionär bei Hochtief. "Es stellt sich die Frage, ob bereits bei der Auswahl der Montagefirma Sicherheitsinteressen finanziellen Interessen untergeordnet wurden."  

Als "mehr als fahrlässig" werten es DIE GRÜNEN, dass der für die Dübel zuständige Gutachter Prof. Dr. Ing. Friedhelm Stangenberg weiterhin für die Sicherheitsfragen bei der Revision von Biblis A tätig ist und lediglich für die Prüfung der Dübel andere Gutachter hinzugezogen wurden. Stangenberg ist dafür verantwortlich, dass bei der Überprüfung der Montage der Dübel nur zwei der drei vom Hersteller zwingend vorgegebenen Prüfkriterien überprüft wurden. "Obwohl Dietzel ankündigte, diesem Missstand umgehend nachzugehen, haben wir bis heute keine Nachricht bekommen, ob der Gutachter endlich abgezogen wurde. Deshalb haben wir uns noch einmal mit einem Brief an den Minister gewandt und Aktivitäten angemahnt", unterstreicht Ursula Hammann.

Völlig unverständlich sei es, dass in Hessen im Gegensatz zu den anderen Bundesländern die Kontrolle der Sicherheit des AKW Biblis zwischen Atom- und Bauaufsicht verteilt sei. Für die Atomaufsicht ist das Umweltministerium, für die Bauaufsicht der Kreis Bergstraße zuständig. Durch die Auflösung der hessischen Landesprüfstelle für Baustatik im Jahr 2002 durch die CDU-geführte Landesregierung wurde die Bauaufsicht darüber hinaus geschwächt. "Als Sofortmaßnahme fordern wir deshalb eine einheitliche Zuständigkeit für die Sicherheit in Biblis. Es ist ein Skandal, wenn der für die Atomaufsicht zuständige Minister über die Weiterbeschäftigung des Gutachters nur durch Fragen der GRÜNEN informiert wird."

"Um die Sicherheit der Atomkraftwerke in Deutschland bis zu deren endgültiger Abschaltung entsprechend dem Atomkonsens sicherzustellen, fordern wir eine bundesweite Zusammenlegung der Atomaufsicht. Die ständigen Kontrollprobleme gerade in Biblis zeigen die Mängel der bisherigen Struktur deutlich. Mit einer Zusammenlegung lässt sich die notwendige größere Unabhängigkeit von den jeweiligen Kraftwerksbetreibern erreichen. Zudem wird der Erfahrungsaustausch verbessert und das Fachwissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann gezielter eingesetzt werden. Wir fordern Dietzel auf, seinen Widerstand gegen diese sinnvolle Umstrukturierung endlich aufzugeben."

Quelle: Pressemitteilung Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag

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