Regensburger Biologen heben „versteckten Schatz“
Archivmeldung vom 07.12.2018
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtSchlammpackungen halten fit – zumindest scheint das für Samen von einer Reihe von Pflanzenarten zu stimmen. Denn Biologen der Universität Regensburg haben in einer Studie nachgewiesen, dass in über 100 Teichen in Bayern und Baden-Württemberg so mancher Same in den Schlammböden über 100 Jahre keimfähig bleibt – und das, obwohl einige der gefundenen Keimlinge von Pflanzenarten stammen, die an den entsprechenden Standorten als verschollen oder ausgestorben gelten.
Dass manche Pflanzen ungünstige Umweltbedingungen als Same im Boden überdauern können, weiß man schon länger. Bekannt ist das z. B. für Ackerwildkräuter und Pflanzen auf häufiger gestörten Standorten, d. h. auf Standorten mit einer veränderten Zusammensetzung der Bodenkomponenten. Ersichtlich wird diese „versteckte“ Artenvielfalt erst durch die Untersuchungen der Samenbank im Boden und wird deshalb im angloamerikanischen Sprachgebrauch als „hidden diversity“ bezeichnet. Bei einer Zusammenstellung der Pflanzen aller Lebensräume der nordwesteuropäischen Flora vor etwa 20 Jahren ging man aber davon aus, dass nur sehr wenige Arten, nämlich 14, über sehr lange Zeiträume (z.B. mehr als 100 Jahre) im Boden überleben können. Dies waren häufige Arten und/oder Ackerwildkräuter (in der Regel „Unkräuter“). Der Ökologe und Naturschutzbiologe Prof. Dr. Peter Poschlod von der Universität Regensburg untersucht bereits seit über 30 Jahren die Langlebigkeit von Samen seltener und gefährdeter Arten. In seiner jüngsten Studie zu gefährdeten Arten von Schlammböden – einem Lebensraum, in dem nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz 60 Prozent der Pflanzenarten als gefährdet gelten – hat er mit seinen ehemaligen Arbeitsgruppen der Universitäten Hohenheim und Marburg und seiner aktuellen Arbeitsgruppe in Regensburg im Laufe von 26 Jahren die Sedimente von 108 Fischteichen in Bayern und Baden-Württemberg untersucht. Jetzt hat er die Ergebnisse zusammen mit Dr. Sergey Rosbakh in der renommierten Fachzeitschrift Biological Conservation veröffentlicht.
Dabei zeigte sich, dass alle Teiche bis auf einen keimfähige Samen von wenigstens einer gefährdeten Art der regionalen oder nationalen Roten Listen enthielten – und dies in zum Teil erstaunlich großer Menge (bis zu fast 3.000 pro Liter Sediment). Das Ergebnis ist umso erstaunlicher, weil viele dieser gefährdeten Arten in den Untersuchungsgebieten als entweder nicht vorkommend, seit längerem verschollen oder ausgestorben gelten. Von insgesamt über 540.000 gezählten Keimlingen, die aus den Proben von jeweils sechs bis zehn Litern Sediment pro Weiher aufliefen, stammten über 300.000 Keimlinge von 49 typischen Schlammbodenarten. Von diesen 49 Arten gelten 22 aktuell regional (Bayern, Baden-Württemberg) oder national als gefährdet.
Daten der floristischen Kartierungen der jeweiligen Länder, die Rekonstruktion der Nutzungsgeschichte der Weiher sowie weitere noch nicht publizierte Ergebnisse von Sedimenten der Donau und des Rheins zeigen, dass die Samen von Pflanzen der Schlammböden nicht nur über mehrere Jahrzehnte, sondern auch über 100 Jahre unter den Bedingungen eines überstauten Sediments überleben können. Dies bedeutet, dass keimfähige Samen dieser Arten noch existieren, auch wenn diese selbst an den entsprechenden Standorten als verschollen oder ausgestorben gelten. Dieser „versteckten“ Vielfalt sollte deshalb in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn in den Lebensräumen, in denen gefährdete Arten noch in der Samenbank im Boden vorkommen, könnte dieses Potential im Rahmen von Renaturierungsmaßnahmen genutzt werden.
Quelle: Universität Regensburg (idw)