NABU warnt bei Vogelgrippe vor genereller Panik gegenüber Wildvögeln
Archivmeldung vom 20.08.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Naturschutzbund NABU hat mit Blick auf eine mögliche Ausbreitung der Vogelgrippe durch Zugvögel aus dem Osten vor einer generellen Panik gegenüber Wildvögeln gewarnt, die im Herbst Deutschland überqueren, hier rasten oder überwintern. „Die größere Gefahr besteht im Zusammenhang mit Tiertransporten und illegaler Einfuhr von Vögeln“, sagte NABU-Vogelschutzexperte Markus Nipkow. Ein wirksamer Seuchenschutz sollte genau da ansetzen.
Der NABU begrüße,
dass Bund und Länder Vogelimporte nun auch aus Russland komplett
stoppen und Tiergrenzkontrollen verstärken wollen. Neben
Geflügelimporten liege gegenwärtig das höchste Risiko für eine
Ausbreitung der Seuche in europäische Länder im illegalen Handel vor
allem mit Ziervögeln.
„Kein Mensch braucht sich nun vor dem Rotkehlchen im eigenen
Garten zu fürchten“, betonte Nipkow. Auch in diesem Herbst dürfe sich
jeder an dem großartigen Schauspiel des Vogelzuges erfreuen. Eine
Übertragung der Seuche von Wildvögeln auf Geflügel sei zwar nicht
auszuschließen, aber es sei fraglich, wie weit erkrankte Zugvögel
wandern können, bevor sie selbst durch die Krankheit geschwächt
werden und sterben.
„Allerdings hat das Virus mit dem Ural eine kritische Grenze zu
Gebieten überschritten, in denen sich viele Wanderrouten von
Zugvögeln kreuzen“, so Nipkow. Einige Arten wanderten durch dieses
Gebiet auch nach oder durch Deutschland. Dazu zählen beispielsweise
Bläss- und Saatgänse sowie Stock- oder Krickenten. Die Vögel
versammeln sich in großer Zahl an Rastplätzen, wo sie sich
untereinander anstecken könnten.
Quelle: Pressemitteilung NABU
Ergänzend hierzu nachfolgend zwei Kommentare aus Tageszeitungen:
Rheinische Post: Bloß keine Panik Leitartikel von
Alexander von Gersdorff
Die Welt ist aufregender, nimmt man sie nur in
Schlagzeilen wahr. Diese lauten in Bezug auf die Vogelgrippe derzeit
so: "Es droht eine Pandemie" (Robert-Koch-Institut). "Die
Tierinfektion hat Europa erreicht" (Agenturmeldungen). "Eine
Weltwirtschaftskrise könnte die Folge sein" (kanadische
Finanzexperten). Zur Steigerung des mulmigen Weltuntergangs-Gefühls
hilft sicher auch ein Blick ins Geschichtsbuch: Die letzte Pest in
Europa wütete im Jahr 1771 - ausgerechnet in Russland, dort, wo die
aktuelle Vogelgrippe grassiert. Nur: Mit "Europa" war lediglich der
Ural gemeint, und das entpuppte sich auch noch als Falschmeldung. Von
Mensch zu Mensch hat sich die Vogelgrippe bislang nicht übertragen,
und selbst wenn der Fall eintritt - ihr Verlauf ist nicht tödlich,
zumal Deutschland über lindernde Medikamente verfügt. Bleibt eine
weitere Warnung vom Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, die der
ersten etwas widerspricht: Er warnte vor Panikmache.
NRZ-Kommentar zum Thema Vogelgrippe
Die letzte Weltgrippe war, längst vergessen, 1968/69. Eine Million Menschen starben. Heute ist die Medizin viel weiter, viele Menschen leben gesünder. Könnte es da nicht sein, dass in Sachen Vogelgrippe mal wieder zu früh, zu laut die Alarmglocke geläutet wird? Es spricht leider sehr wenig für diese These. Der Erreger hat es bereits geschafft, vom Tier auf den Menschen übertragen zu werden. Was, wenn im menschlichen Körper etwas völlig Neues entsteht? Was, wenn ein altbekannter Krankheitskeim in kurzer Zeit dazulernt, zu einem Killer-Erreger mutiert, der eines Tages auch von Mensch zu Mensch übertragbar ist? Er würde auf eine vollkommen ungeschützte Bevölkerung treffen. Das ist eine Gefahr, die alle Schreckens-Szenarien über Bio- und anderweitigen Terrorismus übersteigt. Alle Anstrengungen sind darum notwendig, um die Risiken zu mindern.