Bundesregierung reduziert Artenschutz und riskiert erneut Verurteilung durch Europäischen Gerichtshof
Archivmeldung vom 26.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat die Bundesregierung aufgefordert, den Entwurf der so genannten „kleinen Novelle“ des Bundesnaturschutzgesetzes nachzubessern. Die Novelle müsse das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 10.1. 2006 korrekt umsetzen. Das sei bislang nicht der Fall.
Der BUND kritisiert vor allem, dass Maßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft wie die intensive Düngung, Grünlandumbruch oder Waldwegebau künftig nicht als „Projekte“ im Sinne des Gesetzes gelten und deshalb nicht auf ihre artenschutzrechtliche Verträglichkeit geprüft werden müssen.
Besonders gravierend sei auch, dass in der Land- und Forstwirtschaft und bei Bauvorhaben das Verletzungs- und Tötungsverbot für bedrohte Arten künftig nur noch für nach europäischem Recht geschützte Flora und Fauna, nicht aber für lediglich in Deutschland geschützte Arten gelten solle. Auf diese Weise entfalle für rund 2000 von 2600 hierzulande gefährdete Tiere und Pflanzen auf einen Schlag der Schutz. So werde es z.B. künftig legal sein, Kiebitzgelege zu zerstören, Orchideenwiesen zu überdüngen oder Teiche zuzuschütten, in denen seltene Arten wie der Fadenmolch leben, wenn diese einem Bauprojekt im Weg stünden.
Deutschland war mit dem EuGH-Urteil zur Neufassung seines Naturschutzgesetzes verurteilt worden, weil es die Flora-Fauna-Habitat-(FFH)-Richtlinie zum Schutz seltener Arten nicht umfassend genug berücksichtigt. Der Gerichtshof hatte zu viele Schlupflöcher beanstandet, die verhinderten, bestimmte Agrarmaßnahmen oder Bauvorhaben auf ihre Verträglichkeit mit schützenswerten Lebensräumen oder Arten zu prüfen und wenn nötig auch zu verbieten. Der jetzt vorliegende Gesetzesentwurf sei eine große Enttäuschung, sagte Gerhard Timm, Geschäftsführer des BUND. Anstatt dem Urteil korrekt zu folgen, werde das Gesetzgebungsverfahren erneut missbraucht, um solche Verbote zu vermeiden.
Timm: „Diese `kleine` Gesetzesnovelle des Bundesnaturschutzgesetzes führt zu noch weniger Artenschutz als bisher. Das steht in krassem Gegensatz zu den vielfältigen Anstrengungen für den Erhalt bedrohter Tiere und Pflanzen. Wenn die Bundesregierung ihr bei der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft abgegebenes Versprechen, den Artenschwund aufzuhalten, tatsächlich umsetzen will, muss sie den Gesetzentwurf entrümpeln und nachbessern. Der bisherige Entwurf zeugt von Respektlosigkeit gegenüber Europas höchstem Gericht und wird voraussichtlich eine erneute und mit hohen Vertragsstrafen verbundene Verurteilung nach sich ziehen.“
Die ausführliche BUND-Position zur Gesetzesnovelle ist im Internet unter www.bund.net zu finden.
Quelle: Pressemitteilung Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)