Wasserkraftwerk Rheinfelden: Energiedienst nimmt naturnahes Fischaufstiegs- und Laichgewässer in Betrieb
Archivmeldung vom 07.03.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittRheinfelden ist das erste Wasserkraftwerk in Deutschland, das auf seine Umweltverträglichkeit geprüft wurde. Deshalb erarbeitete eine ökologische Begleitkommission Ausgleichsmaßnahmen, deren Ziel es ist, eine intakte Flusslandschaft zu schaffen, um die Auswirkungen auf die Umwelt soweit wie möglich zu kompensieren. Insgesamt investierte Energiedienst 12 Millionen Euro in 65 Einzelprojekte. Kern der Aufwertungsmaßnahmen ist ein naturnahes Fischaufstiegs- und Laichgewässer, das unzähligen Tier- und Pflanzenarten als neuer Lebensraum dienen wird. Dieses Gewässer hat Energiedienst nun mit der Flutung in Betrieb genommen.
Mit einer Länge von rund 900 Metern und einer Breite von etwa 60 Metern ist das Fließgewässer einzigartig in dieser Größenordnung. Energiedienst hat 2010 begonnen, den alten Kraftwerkskanal für das Aufstiegs- und Laichgewässer umzustrukturieren. "Dafür mussten wir rund 220.000 Kubikmeter Gesteinsmasse bewegen", sagt Energiedienst-Projektleiter Helmut Reif. Als Füllmaterial diente Aushubmaterial, das beim Neubauprojekt anfiel. "Dank einer Lockströmung finden die Fische den Einstieg in die Mündungsrampe und können die Staustufe mit einer Höhendifferenz von neun Metern überwinden", erklärt Jochen Ulrich, Leiter Ökologie und Werkdienst. Außerdem wurden strömungsberuhigte Bereiche gestaltet, die Fischen als Laich- und Ruhezonen dienen. Wenn das Umgehungsgewässer in Betrieb ist, wird in regelmäßigen Monitorings in Zusammenarbeit mit Fischereiverbänden geprüft, ob alle Maßnahmen erfolgreich sind oder nachgearbeitet werden muss. Aufschluss darüber geben Fischzählungen: Ein Jahr lang werden alle rheinaufwärts wandernde Fische in einem Zählbecken erfasst.
Naturgemäße Lebensbedingungen am neuen Wasserkraftwerk
Fischarten wie Nasen, Barben, Forellen und Äschen profitieren ebenso wie Krebse und andere wassergebundene Tiere von diesem strukturreichen Lebensraum mit Stromschnellen, Rinnen und Kiesinseln. Um den Lebensraum "Rhein" zu vernetzen, wurde 2005 auf der deutschen Uferseite ein Raugerinne-Beckenpass fertig gestellt. Schwarzpappeln beschatten den Fischpass und bieten Lebensraum für Wasseramsel und Schillerfalter. Ein weiterer Fischpass (Vertical-Slot) wurde 2010 auf der Schweizer Seite des Rheins in Betrieb genommen. Weitere Ausgleichsmaßnahmen, wie zum Beispiel die Aufschüttung von Kiesbänken, dienen dazu, dem Fluss in geeigneten Bereichen den Charakter eines Fließgewässers zurückzugeben. Die vorhandene Flusslandschaft, das Gwild, blieb zu über 50 Prozent erhalten. Ein separater Durchlass (Dotierturbine) beim neuen Wasserkraftwerk gewährleistet, dass das Gwild auch bei Niedrigwasser ausreichend bewässert wird.
Modellversuche
Mehr als zwei Jahre planten Wasserbauingenieure an der Universität Karlsruhe das Umgehungsgewässer anhand von Modellversuchen. Als Vorbild für das Fließgewässer diente der obere Abschnitt des "Restrheins" zwischen Märkt und Breisach. Die dortigen Strukturen, also Stromschnellen, unterschiedliche Fließgeschwindigkeiten und Wassertiefen, wurden in einem Modell im Maßstab 1:22 nachgebaut. Die Erkenntnisse flossen zunächst in die Planung kleinerer Umgehungsgewässer an der Aare wie zum Beispiel das Kraftwerk Ruppoldingen und am Hochrhein beim Kraftwerk Albbruck-Dogern. Diese Anlagen haben etwa ein Viertel der Wassermenge von Rheinfelden - aber die gleiche Struktur.
Naherholungsraum
Mit dem Wasserkraftwerk entstehen auch Erholungsräume für den Menschen. Der öffentlich zugängliche Übergang am neuen Kraftwerk ermöglicht es Fußgängern, die Natur am Rhein zu erleben. Ein Wanderweg mit Ruhebänken und zwei Aussichtsplattformen auf der deutschen Seite bietet künftig Möglichkeiten, die Tier- und Pflanzenwelt zu beobachten.
Ökologie und Denkmalschutz
Der Bau des neuen Kraftwerks ist ein Eingriff in die Natur. Daher entschieden sich Schweizer und deutsche Behörden bei der Baubewilligung nach langjähriger und intensiver Interessenabwägung, dass ökologische Anliegen vor denkmalschützerischen Überlegungen Priorität genießen. Für den Bau des naturnahen Aufstiegs- und Laichgewässers mussten der Steg und das alte Kraftwerk im Herbst 2010 zurückgebaut werden, denn das Umgehungsgewässer entstand im alten Kraftwerkskanal. Aus Behördensicht hätten das alte Maschinenhaus und der Steg den funktionsgerechten Bau verhindert. Um die Technik des vergangenen Jahrhunderts zu erhalten, wird die Maschine 10, eine der ältesten Maschinen, als Exponat in einem Pavillon in der Nähe des alten Kraftwerksgeländes ausgestellt.
Daten und Fakten naturnahes Fischaufstiegs- und Laichgewässer: Bauzeit: 2010-2012 Kosten: 4 Mio. Euro Länge: 900 Meter Breite: 60 Meter Höhendifferenz: 9,1 Meter Verarbeitetes Material: 220.000 Kubikmeter Gesteinsmasse, 11.000 Kubikmeter Kies und 9.000 Kubikmeter Blocksteine Abfluss: 10-16 Kubikmeter pro Sekunde Spülabfluss: bis zu 35 Kubikmeter pro Sekunde Anzahl Kiesschnellen: 12
Quelle: Energiedienst Holding AG (ots)