Den Aal verstehen um ihn zu retten
Archivmeldung vom 08.05.2018
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Bestände des europäischen Aals sind seit den 1970er Jahren drastisch zurückgegangen. Jetzt steigt der Druck der internationalen Fischerindustrie auch auf tropische Arten. Der Biologe Robert Schabetsberger versucht in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt, mehr über die Laichgebiete der Aale im Pazifik zu erfahren.
Schon einmal Aal gegessen? In Österreich handelte sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen europäischen Aal. Das Tier wurde demnach in der Sargassosee nahe dem amerikanischen Kontinent geboren. Der Aal ist ein sogenannter „katadromer“ Wanderfisch, der als Larve in einer mehrjährigen Wanderung den Atlantik überquert, um danach in europäische Flüsse und Seen aufzusteigen. Wenn er ausgewachsen ist, schwimmt er wieder flussabwärts ins Meer. Im Einzugsgebiet der Donau ist der Aal eigentlich nicht heimisch – bis in die 1980er Jahre hat man insgesamt elf Millionen Aale aus Flussmündungen gefischt und in österreichische Seen eingesetzt. Die Tiere können von dort das Laichgebiet allerdings nicht mehr erreichen.
Wie genau Aale laichen, ist bislang nicht bekannt. Nach wie vor ist es nicht gelungen, Aale in ihrer natürlichen Umgebung beim Laichen zu beobachten. Diese Unwissenheit über das Leben im Ozean wird für die Aale mehr und mehr zur Überlebensfrage: Der europäische Aal ist unter anderem durch den Fischereidruck vom Aussterben bedroht. In einem vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten und seit 2016 laufenden Projekt versucht der Biologe Robert Schabetsberger nun, Licht in die Frage nach den Laichgebieten der Aale zu bringen.
Perfekte Bedingungen auf Pazifikinsel
Die Idee zur Aalforschung entstand während eines Forschungsprojekts, das Schabetsberger privat finanzierte. Er interessierte sich für Seen auf den südpazifischen Inseln. „Das ist das isolierteste Süßwasser der Welt“, erklärt Schabetsberger. Auf der Vulkaninsel Gaua im Vanuatu-Archipel fischte der lokale Guide zum Abendessen zwei riesige Aale. „Ich wusste, dass das der perfekte Ort wäre, um die Wanderung der Aale zu erforschen.“
Einige Jahre später kehrte Schabetsberger auf die Insel zurück, um Aale auf dem Weg ins Meer mit Satellitensendern zu versehen. Da Aale nach dem Ablaichen sterben, sollte das Auftauchen der Sender einen Hinweis auf den Ort geben, wo das geschieht. Das Projekt war erfolgreich, drei Sender tauchten tatsächlich in einem Gebiet auf, in dem ein Laichgebiet vermutet wird. „Wir waren mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ersten, die Aale bis ins Laichgebiet verfolgt haben. Dank dieser Ergebnisse konnten wir das FWF-Projekt an Land ziehen.“
Genetische und ozeanografische Untersuchungen
In dem laufenden biologischen Grundlagenprojekt arbeitet Schabetsberger nun mit Aalforscherinnen und -forschern aus aller Welt zusammen, um verschiedene Aspekte der Aalwanderungen zu untersuchen. Schon in Vanuatu fielen dem Forscherteam Individuen auf, die wie Mischlinge zweier Arten aussahen. Genetische Untersuchungen des Auslandsösterreichers Robert Jehle im Rahmen des Projekts haben das inzwischen bestätigt. „Zurzeit untersuchen wir etwa 500 genetische Proben aus dem pazifischen und indischen Ozean von drei verschiedenen Aal-Arten – ein einzigartiger Datensatz“, betont der Forscher. Seit Jahren versuchen internationale Expeditionen, die Laichgebiete der insgesamt 16 Aal-arten mit Forschungsschiffen aufzuspüren. Die genetischen Untersuchungen helfen, die einzelnen Populationen abzugrenzen.
Ein Erfolg des Projekts war die Analyse der Daten von automatisierten Meeresbojen. „Wir haben weltweit sogenannte Argofloats angeschaut, das sind autonome Bojen, von denen es 3800 Stück gibt, und es werden ständig neue ausgesetzt. Diese messen die Bedingungen im Ozean, wie Strömung, Temperatur oder Salzgehalt und schicken das zu Satelliten.“ Man habe sich die Daten der Argofloats in der Nähe vermuteter Laichgebiete angesehen und dabei eine überraschende Entdeckung gemacht.
Salzgehalt des Wassers als Orientierungshilfe?
„Fast alle bekannten und vermuteten Laichgebiete sind in Bereichen mit erhöhtem Salzgehalt in ca. 150 Metern Tiefe, in sogenannten High Salinity Cores, und zwar an deren westlichen Rändern.“ Das könnte einen Hinweis auf die Sinne sein, mit denen sich die Aale im Meer auf ihrer tausende Kilometer langen Reise orientieren. „Die Frage der Orientierung ist ebenfalls ungelöst und wird kontroversiell diskutiert“, sagt der Biologe. Vielleicht sei der Salzgehalt eine Orientierungshilfe.
In einem neuen Besenderungsprojekt auf der Insel Upolu in Samoa konnten vier kleinere Aale, möglicherweise Männchen, mit Sendern ausgestattet werden. Die Sender blieben allerdings nur drei Wochen an den Tieren. Warum, ist nicht ganz klar. Vermutlich wurden sie von Raubfischen getötet. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die Laichgebiete näher an der Insel liegen als gedacht. Jedenfalls zeigten auch die kleineren Tiere die typischen Vertikalwanderungen: Bei Tagesanbruch tauchen die Tiere von rund 150 m bis auf 750 Meter Tiefe hinab und steigen erst bei Einbruch der Dunkelheit wieder höher.
Züchtung von Aalen ermöglichen
Die Erforschung der Laichgebiete der Aale könnte für die bedrohten Arten lebensrettend sein: „Die Idee dahinter ist, die Bedingungen an den Laichplätzen zu kennen. Bis heute ist es nicht gelungen, im Labor den Zyklus zu schließen, damit eine wirtschaftliche Züchtung in Aquakulturen möglich ist. Der europäische Aal ist vom Aussterben bedroht. Derzeit werden die jungen Aale, wenn sie beginnen, in die Flüsse aufzusteigen, in großen Mengen abgefischt. Für mehrere tausend Euro das Kilo werden sie nach China geschickt und in Aalfarmen aufgezogen, wo sie nach Japan verkauft werden.“ Offiziell sei das Abfischen des europäischen Aals inzwischen verboten, es passiere aber nach wie vor, kritisiert Schabetsberger, der seine Forschungen auf den Indischen Ozean ausweiten will. „Inzwischen steigt auch der Druck auf die tropischen Arten“, betont der Forscher. Die Zeit drängt also.
Quelle: FWF - Der Wissenschaftsfonds