Ranger und Wildtiere des Virunga Nationalparks im Kongo werden Opfer massiver Gewalt und Wilderei
Archivmeldung vom 27.10.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.10.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Vorfeld der für den 29. Oktober angesetzten zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen erlebt der Virunga Nationalpark im Kongo eine unvorstellbare Welle der Wilderei und Gewalt. Durchschnittlich 150 Flusspferde schlachten Wilderer pro Woche ab. Inzwischen sind 98 Prozent der Flusspferde des Parks verschwunden, wie eine Zählung der ZGF vor wenigen Tagen zeigte.
Am 23. Oktober führte die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) mit
Unterstützung des US Fish and Wildlife Service eine Zählung der Flusspferde im
Virunga Nationalpark durch. Der Park liegt im Osten der demokratischen Republik
Kongo, ist UNESCO Weltnaturerbe und Heimat der seltenen Berggorillas. Die
Zählungen aus der Luft bestätigten, was die seit längerem anhaltende
Wildereiwelle befürchten ließ. Nur noch 629 Flusspferde sind übrig von einem
Bestand, der Anfang der 70er Jahre bei rund 30.000 lag. Dies entspricht einem
Bestandsrückgang von 98 Prozent. Allein in den ersten beiden Oktoberwochen
hatten Wilderer mehr als 400 Flusspferde getötet.
Die unübersichtliche
Lage im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in der Demokratischen Republik Kongo
ausnutzend, hatten Mai Mai Rebellen und andere lokale militärische Gruppierungen
begonnen im großen Stil im Park zu wildern. Seit September stehen nicht nur die
Wildtiere des Nationalparks unter Beschuss, sondern auch die Ranger der
kongolesischen Parkbehörde ICCN (Institut Congolais pour la Conservacion de la
Nature). In den letzten Tagen gab es wiederholt Überfälle auf Rangerposten und
-patroullien, bei denen es mehrere Tote und Verletzte gab. "Auch die
kongolesische Armee, die im Park stationiert ist und deren Soldaten schlecht
bezahlt werden, sollen an den Überfällen und der Hippo-Wilderei beteiligt sein",
berichtet ZGF-Projektleiter Robert Muir aus Virunga. Die Armee ist eigentlich
zum Schutz vor Banditen und zur Grenzbewachung im Park stationiert, doch der
Konflikt zwischen Militär und Parkrangern spitzt sich immer mehr zu. Aufgrund
der ernsten Lage hat Uganda bereits Militär entlang des Flusses Ishasha
stationiert, um die Mai Mai von den Flusspferden auf der ugandischen Seite des
Grenzflusses fernzuhalten.
Der Grund des Abschlachtens:
Elfenbein
Grund für das massive Töten von Flusspferden und auch Elefanten
ist das Elfenbein der Tiere. Genau wie Elefantenstoßzähne erzielen die Hauer der
Flusspferde hohe Preise auf dem Elfenbeinmarkt. "Das Elfenbein geht aus den
Camps der Rebellen und Milizen wahrscheinlich über Uganda und den Sudan auf den
internationalen Schwarzmarkt", erläutert Robert Muir.
Die Mai Mai
Rebellen hätten sich jeglichem Dialog mit den Nationalparkrangern der ICCN
verweigert, so Muir, und vielmehr begonnen, deren Posten anzugreifen. Trotz der
Tatsache, dass in den letzten Jahren mehr als 100 Ranger im Dienst getötet
wurden und viele seit Jahren kein anständiges Gehalt gesehen haben, sind die
Nationalparkranger unglaublich engagiert und von ihrer Sache überzeugt. "Die
Unterstützung durch uns, die EU und andere Organisationen hilft den Rangern und
baut sie auf - für die Hippos könnte all das trotzdem zu spät kommen. Die
Bedrohung für die Ranger ist außerdem derart massiv geworden, dass wir dringend
eine konzertierte Aktion zwischen den Rangern und den UN Friedenstruppen vor Ort
brauchen", sagt Muir, der zurzeit mit beiden Parteien versucht, eine solche zu
organisieren. "Da die UN mit den Wahlen beschäftigt sind, nutzen die Mai Mai
diese Lage erbarmungslos aus. Der Park hat in den letzten Wochen eine nie da
gewesene Welle an Wilderei, gewalttätigen Übergriffen und
Menschenrechtsverletzungen gesehen."
Die Zoologische Gesellschaft
Frankfurt hat in den letzten Monaten mit finanzieller Unterstützung der EU, der
Unesco und des US Fish and Wildlife Service 480 Ranger in Virunga in einem
intensiven Trainingsprogramm ausgebildet. In den Händen dieser Elite-Einheit
liegt jetzt das Schicksal des Parks. Doch diese Ranger sehen sich mit
Maschinengewehren und Panzerfäusten bewaffneten Wilderen im Verhältnis 5:1
gegenüber, zudem sind sie selbst hoffnungslos schlecht ausgestattet. "Die
Vertreter der EU und der UNESCO intervenieren zwar auf politischer Ebene in
Kinshasa", berichtet Robert Muir, "doch wenn wir hier an der Basis nicht
schnellstens die Ranger mit mehr Ausrüstung, sowie Essen und Gehalt versorgen
können, wird der katastrophale Abschuss der Flusspferde, Elefanten und anderer
Tiere nicht zu stoppen sein.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.