Tierversuchsdaten willkürlich und unvollständig
Archivmeldung vom 07.02.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm ersten Quartal gibt der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche seit Jahren sein exklusives Negativranking der Bundesländer mit den meisten Tierversuchen heraus. Dies ist derzeit jedoch nicht möglich, denn die Ärztevereinigung kritisiert die vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) veröffentlichten Tierversuchszahlen für die Jahre 2014 und 2015 als „intransparent und willkürlich“. Der Verein fordert lückenlose Aufklärung, unter anderem was die Anzahl der Tiere und die Verwendungszwecke angeht.
Für das Jahr 2014 ist das BMEL auch anno 2017 noch immer eine aufgeschlüsselte Aufstellung der Tierversuchszahlen nach Bundesländern gemäß EU-Vorgabe säumig, kritisiert der Ärzteverein. Dem Verein liegen zwar die ursprünglich von den Bundesländern gemeldeten Zahlen von insgesamt 2.798.463 Tieren vor, welche jedoch nicht der nun nach EU-Vorgabe veröffentlichen Tierzahl von 3.361.863 entspricht, da die Zählweise der EU umfangreicher ist und unter anderem Fischlarven einbezieht. Ein Vergleich der Tierversuchszahlen der Länder von 2014 mit 2015 ist somit nicht möglich. Der Ärzteverein hat daher bislang auf Aktualisierung seiner Negativrangliste zu Tierversuchen im Bundesländervergleich, die er seit 2010 exklusiv führt, verzichtet, da er zunächst das BMEL um Korrektur der Zahlen gebeten hat. Bereits im Dezember 2016 hatte der Verein das Ministerium unter anderem auf gravierende Fehler in der Zusammenstellung der Versuche nach Schweregrad aufmerksam gemacht, welche daraufhin korrigiert wurde.
Die Ärzte gegen Tierversuche monieren die mangelnde Transparenz und Ungenauigkeit bei der Veröffentlichung der Tierversuchsdaten. „Wie willkürlich mit dem Leben jedes einzelnen, leidensfähigen Tieres umgegangen wird, zeigt allein schon die Tatsache, dass die Tierversuchsmeldeverordnung es erlaubt, die Zahl der Fische und Kopffüßer lediglich auf Basis von Schätzwerten anzugeben“, erläutert Dipl.-Biol. Silke Strittmatter, Sprecherin der Ärzte gegen Tierversuche.
Nach Aussage der Ärzte gegen Tierversuche lassen die gemeldeten Tierversuchszahlen das tatsächliche Ausmaß der Tierversuche nur erahnen. Zu der Ungenauigkeit kommt die Unvollständigkeit der Statistik, da Tiere, die auf „Vorrat“ gehalten werden oder bei Genmanipulationen als „Ausschuss“ anfallen und getötet werden, nicht erfasst werden. Nach einer Recherche des Vereins ist mit mehreren Millionen verschwiegener Tieropfer zu rechnen.
Nach neuer EU-Vorschrift muss der Schweregrad des Tierversuchs erfasst werden, das heißt, ob dem Tier schweres, mittleres oder geringes Leid zugefügt wird, wobei die Einschätzung der Experimentator selbst vornimmt. Nach Angaben des BMEL fielen 2015 etwa 4 % der Versuche in die Rubrik „schwer“. Da geheim gehalten wird, wo in Deutschland welche Versuche stattfinden, macht der Ärzteverein in seiner Tierversuchsdatenbank dies auf Basis von tierexperimentellen Publikationen exemplarisch öffentlich. Darin enthalten sind auch Beispiele für Versuche, die laut der EU-Tierversuchsrichtlinie mit schwerem Leid verbunden sind.
So werden in der Abteilung Stereotaktische und Funktionelle Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg Ratten zahlreichen Stressversuchen ausgesetzt. Unter anderem wird der forcierte Schwimmtest durchgeführt, bei dem die Tiere in einem Wassergefäß schwimmen müssen, bis sie aufgeben und sich treiben lassen. Der Zeitpunkt des Aufgebens wird als Maß für eine Depression herangezogen. Am Institut für chirurgische Forschung der LMU München werden Xenotransplanatationsversuche durchgeführt, bei denen die Herzen genveränderter Ferkel in Affen eingesetzt werden, welche in den meisten Fällen aufgrund der Abstoßungsreaktion qualvoll sterben.
Versuche wie diese sind nach den Rechtsvorgaben der EU verboten, was die Bundesregierung jedoch nicht umgesetzt hat.
Quelle: Ärzte gegen Tierversuche