Steigt der Meeresspiegel schneller?
Archivmeldung vom 16.12.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Meeresspiegel könnte in den kommenden Jahrzehnten schneller steigen als bislang erwartet. Zu dieser Aussage kommt eine neue Studie des deutschen Ozeanexperten Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Anhand von Messdaten des 20. Jahrhunderts wies der Forscher einen engen
Zusammenhang zwischen der globalen Temperaturerhöhung und der Geschwindigkeit
nach, mit der sich der Meeresspiegel erhöht: je wärmer es wird, desto rascher
steigt der Meeresspiegel. Bleibt dieser für das 20. Jahrhundert gefundene
Zusammenhang auch für die kommenden 100 Jahre gültig, könnte der globale
Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 um 50-140 cm steigen. Diese Ergebnisse wurden in
der neuesten Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Science
veröffentlicht.
Infolge der Erderwärmung ist der globale Meeresspiegel im
20. Jahrhundert um knapp 20 cm angestiegen. Bislang gingen Wissenschaftler von
einem weiteren Anstieg im 21. Jahrhundert um 9-88 cm aus, je nachdem, wie viel
Treibhausgas wir emittieren und wie empfindlich das Klimasystem darauf
reagiert.
Anlass für Rahmstorfs Studie war, dass Computermodelle des
Klimas den heute bereits eingetretenen Meeresspiegelanstieg deutlich
unterschätzen. Zukunftsprojektionen zur Entwicklung des Meeresspiegels anhand
dieser Modelle sind daher noch nicht zuverlässig. Anstelle von Klimamodellen
beruht Rahmstorfs neue Studie auf empirischen Beobachtungen von Lufttemperaturen
und Meeresspiegelveränderungen.
"Die Tatsache, dass wir mit
unterschiedlichen Methoden so unterschiedliche Abschätzungen erhalten, macht
deutlich, wie unsicher unsere gegenwärtigen Meeresspiegelvorhersagen noch sind,"
sagt Rahmstorf. Ein wesentlicher Grund für diese Unsicherheit ist das Verhalten
der großen Kontinentaleismassen in Grönland und der Antarktis, das nur schwer
berechenbar ist. "Für ein gegebenes Erwärmungsszenario könnten wir auch den
doppelten Anstieg des Meeresspiegels bekommen als man bislang erwartet
hat."
Ein Meeresspiegelanstieg von einem Meter oder mehr wäre eine sehr
schlechte Nachricht für große Küstenstädte, da er die Sturmflutgefahr stark
erhöhen würde. Besonders gefährdet sind Städte an den Küsten des Nordatlantik
wie London oder New York. Der Meeresspiegel im nördlichen Atlantik könnte
stärker steigen als anderswo, falls sich der Nordatlantikstrom abschwächt. Dies
zeigte eine frühere Studie von Rahmstorfs Arbeitsgruppe im Jahr 2005. Der
Anstieg des Meeresspiegels kann begrenzt werden, indem in den kommenden
Jahrzehnten der Ausstoß von Treibhausgasen stark verringert wird. Darüber hinaus
können durch einen vorausschauenden Küstenschutz die Folgen des
Meeresspiegelanstiegs vermindert werden.
Stefan Rahmstorf ist Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam und gilt als einer der führenden Ozean- und Klimaexperten weltweit. Er hat über 50 Studien in internationalen Fachzeitschriften publiziert.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.