Giganten, Zwerge und die Umwelt
Archivmeldung vom 07.03.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtWissenschaftler des Museums für Naturkunde Berlin haben in einer Studie untersucht, wie sich die Kaulquappen des Grasfrosches unter verschiedenen natürlichen Bedingungen entwickeln. Überraschenderweise scheint die Umwelt nur eingeschränkt für die teilweise enormen Unterschiede in der Entwicklung der Frösche zu Giganten oder Zwergen verantwortlich zu sein. Offensichtlich gibt es beim Grasfrosch eine große Breite an individuellen Reaktionsmöglichkeiten auf unterschiedliche Umweltbedingungen. Erst wenn man weiß, wie die Umwelt Organismen beeinflusst, kann man das Anpassungspotential unterschiedlichster Arten und Populationen an verschiedene Umweltbedingungen verstehen.
Der Grasfrosch ist eine der häufigsten und bestuntersuchten Amphibienarten Deutschlands. Trotzdem wissen wir wenig darüber, ob und wie sich diese Art auf unterschiedliche und sich verändernde Umweltbedingungen anpassen kann. Die Toleranz einer Art gegenüber unterschiedlichen Umweltbedingungen wurde und wird oft in standardisierten Laborexperimenten untersucht. Hier werden dann meist nur ein oder wenige Faktoren variiert, um deren spezifischen Einfluss, z.B. auf die Entwicklung der Art, zu erforschen. Beim komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren in natürlichen Umwelten können aber ganz andere Prozesse wichtig werden. Um zu untersuchen, wie sich Grasfrösche unter verschiedenen natürlichen Bedingungen entwickeln, haben nun Forscher des Museums für Naturkunde Berlin mit ihren Kollegen von den Universitäten Bayreuth und Würzburg analysiert, wie sich die Entwicklungszeit sowie die Größe und das Gewicht von Jungfröschen aus 18 Gewässern im nordfränkischen Steigerwald unterscheiden. Diese Parameter sind auch für die weitere Entwicklung sowie für die Überlebens- und Fortpflanzungschancen der Frösche von zentraler Bedeutung. Einige dieser Gewässer wurden dabei über drei Jahre hinweg auf die sich in ihnen entwickelnden Grasfrösche untersucht.
Eigentlich sollten große schwere Jungfrösche, die früh im Jahr an Land gehen, im Vorteil sein. Für die Forscher völlig überraschend waren die beobachteten enormen Unterschiede in Größe, Gewicht sowie in der Zeit vom Schlupf der Kaulquappen bis zur Metamorphose. Noch überraschender war allerdings, dass sich Jungfrösche aus einem Teich um bis zu einer Zehnerpotenz im Gewicht unterschieden und diese Entwicklungsunterschiede in keinem engen Zusammenhang mit den Umweltfaktoren zu stehen scheinen. Es gab so auch zwischen den Jahren keine sich wiederholenden Muster, also z.B. Tümpel, aus denen immer große oder immer kleine Grasfrösche abwanderten. Die Forscher interpretieren ihre Ergebnisse so, dass es beim Grasfrosch ganz offensichtlich eine große Breite an individuellen Reaktionsmöglichkeiten an unterschiedliche Bedingungen gibt. Für ein tiefergehendes Verständnis wie sich Arten anpassen können ist es deshalb vermutlich wichtiger, die individuelle Variabilität zu erfassen, als standardisierte Durchschnittwerte für Prognosen zu verwenden. Ob kleine und große Jungfrösche bis zum Erwachsenenalter ganz unterschiedliche Strategien verfolgen, sollen weitere Untersuchungen klären.
Quelle: Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (idw)