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Mehr Treibhausgas mal ohne Mensch

Archivmeldung vom 28.01.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.01.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: pixelio.de/Tokamuwi
Bild: pixelio.de/Tokamuwi

Warmes Klima und eine hohe Kohlendioxid-Konzentration in der Luft gibt es immer wieder in der Erdgeschichte, nämlich immer zwischen zwei Eiszeiten, und zwar etwa alle 100 000 Jahre. Einen für diese Zyklen untypischen Anstieg der Kohlendioxidkonzentration vor der Industrialisierung erklären jetzt Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Meteorologie.

Sie haben die Effekte von Korallenriffen, die während einer Warmzeit wachsen, und von Mooren, die sich gleichzeitig ausbreiten, in ein Modell des Kohlenstoff-Kreislaufs integriert. Beide Prozesse wirken gegenläufig. Unterm Strich wird dabei aber Kohlendioxid frei. Bislang betrachteten manche den Kohlendioxid-Anstieg, den Eisbohrkerne von den Polkappen dokumentieren, als Folge menschlichen Handelns. Gegen diese These liefern die Max-Planck-Forscher nun einen weiteren Beleg (Geophysical Research Letters, 21. Januar 2010).

Eigentlich wird es auf der Erde immer kühler – auf die ganz, ganz lange Sicht. In den letzten 65 Millionen Jahren sank die mittlere Temperatur um fünf bis zehn Grad Celsius. Seit etwa einer Million Jahren nimmt sie im Schnitt zwar nicht mehr weiter ab, dafür aber breiteten sich seither regelmäßig Gletscher über die Erde aus. Nur etwa alle 100 000 Jahre werden die Gletscher so groß, dass sie instabil werden, und sich weit zu den Polen und in die höchsten Berge zurückziehen. Dann sorgt eine Warmzeit für wohligere Temperaturen – die dadurch ausgelösten geologischen Prozesse setzen gleichzeitig Kohlendioxid frei.

Genau in einer solchen Warmzeit befinden wir uns derzeit. Wegen des vom Menschen ausgelösten Klimawandels könnte diese Warmzeit sogar noch katastrophale Ausmaße annehmen. Denn während der hohe Kohlendioxidgehalt der Luft bislang immer in Folge einer Erderwärmung anstieg, ist das beim derzeitigen Klimawandel umgekehrt. Die Kohlendioxid-Emissionen des Menschen haben die Konzentration in den vergangenen 200 Jahren viel stärker hoch getrieben als natürliche Prozesse das könnten.

Korallenriffe und Moore als Klimafaktoren

Warum die Warmzeiten so regelmäßig auftreten und wieder enden, ist bislang nicht vollständig geklärt. Dass die nächste Eiszeit die Erde noch nicht wieder einfriert, ist aber offenbar nicht die Schuld des Menschen – zumindest, was die Zeit vor der Industrialisierung betrifft. Darauf lassen wenigstens die Ergebnisse von Simulationen schließen, die Klimaforscher des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg vorgenommen haben. Sie haben erstmals berechnet, wie sich Korallenriffe und Moore vor der Industrialisierung auf den Kohlendioxid-Haushalt der Erde auswirken. Beide wachsen während einer Warmzeit. Die Korallenriffe binden dabei große Mengen Kalzium aus dem Meer, wodurch sich die Aufnahme-Kapazität der Ozeane für Kohlendioxid verringert. Moore dagegen binden Kohlendioxid, wenn sie sich ausbreiten.

Nach den Berechnungen der Max-Planck-Forscher überwiegt der Effekt der Korallenriffe. „In der Summe ergibt unser Modell, dass der Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre in den letzten knapp 8000 Jahren vor der Industrialisierung um 20 ppm, also um sieben Prozent, anstieg“, sagt Victor Brovkin, der am Max-Planck-Institut für Meteorologie forscht und die aktuelle Untersuchung leitete. Eine Zunahme um 20 ppm in den knapp 8000 Jahren vor der Industrialisierung entspricht genau der Menge, die in Eisbohrkernen aus der Antarktis gemessen wurde.

Bislang hat der Mensch die nächste Eiszeit noch nicht verhindert

„Nach Meinung mancher Klimaforscher soll dafür auch der Mensch verantwortlich sein“, sagt Victor Brovkin: „Es wird sogar diskutiert, ob diese Zunahme bereits verhindert hat, dass die nächste Eiszeit einsetzt.“ Er und seine Kollegen liefern nun einen Beleg gegen die These, der Mensch bringe den Kohlendioxid-Haushalt der Atmosphäre bereits seit 8000 Jahren durcheinander. Damit wird es auch unwahrscheinlich, dass der Mensch die nächste Eiszeit bereits verhindert hat. Nicht ausschließen lässt sich allerdings, dass der Kohlendioxid-Ausstoß seit Beginn der Industrialisierung genau diese Wirkung zeigt.

Denn trotz ihrer Erkenntnis zweifeln die Hamburger Paläoklimatologen keinen Deut daran, dass die Treibhausgase, die der Mensch seit Beginn der Industrialisierung vor rund 200 Jahren freisetzt, den derzeit beobachteten Klimawandel auslösten und fördern. Menschliche Emissionen ließen die Kohlendioxid-Konzentration nämlich um mehr als 100 ppm, also um etwa 40 Prozent steigen.

Derzeit arbeiten die Forscher noch an einem Schwachpunkt ihres Modells. Sie haben auch simuliert, wie sich der Anteil des schweren Kohlenstoff-Isotops 13C an der gesamten Kohlenstoffmenge entwickelt. Dieser verändert sich durch biologische Aktivität, da Lebewesen den leichteren Kohlenstoff besser verarbeiten können. In den Simulationen der Hamburger Paläoklimatologen nahm das schwere Kohlenstoff-Isotop zu – so als würden Pflanzen mehr Kohlenstoff, und dabei vor allem das leichte Isotop binden. Tatsächlich verringerte sich der Anteil des schweren Kohlenstoffs jedoch. „Das liegt wahrscheinlich daran, dass der Mensch in den vergangenen Jahrtausenden große Flächen Wald gerodet hat“, so Brovkin: „Das haben wir in unserem Modell noch nicht berücksichtigt, weil die Menge des dadurch freigesetzten Kohlendioxids vor der Industrialisierung eher gering ist.“ Um die Anteile von leichtem und schwerem Kohlendioxid in der Atmosphäre zu beeinflussen reicht es aber offenbar. 

Quelle: Max-Planck-Institut für Meteorologie

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