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Überfischung und politisches Missmanagement bringen den Hering an eine kritische Grenze: Fangmengen sollen um 44% sinken

Archivmeldung vom 02.10.2023

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.10.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Mary Smith
Fortlaufende Überfischung gefährdet die Gesundheit der Meere, die Lebensgrundlagen der Menschen und die Wirtschaft.
Fortlaufende Überfischung gefährdet die Gesundheit der Meere, die Lebensgrundlagen der Menschen und die Wirtschaft.

Bildrechte: Marine Stewardship Council (MSC) Fotograf: Marine Stewardship Council (MSC)

Die Regierungen der Fangnationen im Nordostatlantik laufen sehenden Auges in eine mögliche Wiederholung des Herings-Crashs der 1960er Jahre hinein, wenn sie die Überfischung des atlanto-skandischen Herings - eines der größten und wirtschaftlich bedeutendsten Fischbestände Europas - nicht umgehend stoppen, wie neue Zahlen heute zeigen.

Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES), die Wissenschaftsorganisation, die Regierungen in Bezug auf nachhaltige Fangmengen berät, teilte heute mit, dass die atlanto-skandischen Heringsfänge um 44 Prozent, d. h. 302.932 Tonnen, gesenkt werden müssen.

Doch selbst wenn die Fangnationen sich an diese Fangmengenreduzierung halten sollten, wird der atlanto-skandische Heringsbestand nach Einschätzung des ICES bis zum Jahr 2025 die kritische Schwelle unterschreiten, unterhalb derer die langfristige Nachhaltigkeit des Bestands bedroht ist.

Nach einer Analyse des Marine Stewardship Council (MSC) haben die Herings-Fänge die vom ICES empfohlenen Mengen in den letzten Jahren stets signifikant überschritten, aktuell liegen sie um mehr als ein Drittel über der wissenschaftlichen Empfehlung (36 Prozent). Seit 2008 ist die Größe des atlanto-skandischen Herings-Bestands von 7 Millionen Tonnen auf 3,7 Millionen Tonnen geschrumpft.

Erin Priddle, Nordeuropa-Chefin des MSC: "Angesichts dieser Entwicklungen sowie der alarmierenden jüngsten Prognosen sollte jedem klar sein, dass Bestände vom Zusammenbruch bedroht sind, wenn sie Jahr für Jahr überfischt werden. Wir brauchen nur auf die jüngere Geschichte zurückzublicken, als Überfischung und Missmanagement in den 1960er Jahren zum Zusammenbruch des atlanto-skandischen Heringsbestands und zu einer fünfjährigen Aussetzung sämtlicher Fischereiaktivitäten geführt haben, damit der Bestand sich wieder erholen konnte. Viele Fischereien und Verarbeitungsbetriebe mussten in dieser Zeit Konkurs anmelden, Tausende von Arbeitsplätzen gingen verloren."

Politik nun entschiedener gefordert denn je

Der Kern der besorgniserregenden Entwicklung beim atlanto-skandischen Hering ist die Unfähigkeit der Fischereinationen, sich auf eine Fangquotenaufteilung zu einigen, die den wissenschaftlichen Empfehlungen entspricht. Hering, aber auch Makrele und blauer Wittling, werden seit Jahren überfischt, jedes Land legt seine eigenen Quoten fest - was in Summe zu Fangmengen führt, die weit über der wissenschaftlichen Empfehlung liegen.

Der MSC appelliert an die Regierungen der Fischereinationen im Nordostatlantik, sich daher schnellstmöglich auf eine nachhaltige Quotenaufteilung zu einigen. Die bevorstehende Tagung der Küstenstaaten im Oktober 2023 bietet dafür Gelegenheit.

Priddle: "Die beteiligten Regierungen müssen die jüngsten wissenschaftlichen Daten als dringende Warnung verstehen, sich endlich auf gemeinsame Fangquoten zu einigen und ihre Fangmengen innerhalb nachhaltiger Grenzen zu halten! Andernfalls steuern sie sehenden Auges in eine beängstigende Situation. Atlanto-skandischer Hering, Makrele und Blauer Wittling gehören zu den größten Fischpopulationen Europas und werden von einigen der reichsten Nationen der Welt befischt. Es wäre ein Armutszeugnis für die beteiligten Regierungen, wenn es ihnen nicht gelänge, sich auf eine nachhaltige Bewirtschaftung zu einigen!"

Die Analyse der ICES-Daten durch den MSC zeigt, dass allein in den letzten sechs Jahren die Gesamtfänge von atlanto-skandischem Hering, Makrele und Blauem Wittling die empfohlene Gesamtfangmenge um fast ein Drittel überschritten haben. Dies entspricht knapp 4,5 Millionen Tonnen Fisch, die, wenn die wissenschaftlichen Empfehlungen befolgt worden wären, im Meer hätten belassen werden müssen!

Weniger Nachhaltigkeit auch für Verbraucherinnen in Deutschland

Das anhaltende Unvermögen der Fangnationen, sich auf nachhaltige Quoten zu einigen, sowie die damit verbundene Suspendierung der MSC-Zertifikate aller Fischereien auf atlanto-skandischen Hering, Makrele und Blauen Wittling, hat auch dazu geführt, dass die Verbraucher nun deutlich weniger nachhaltige Produkte im Markt finden. In Deutschland ist der MSC-Anteil am Makrelen- und Heringssortiment des Einzelhandels zwischen 2020 und 2022 von 83 % auf 53 % gesunken - für 2023 wird ein weiterer Rückgang erwartet.

Eine Lösung der Probleme ist durchaus möglich. Ein kürzlich veröffentlichter MSC-Bericht mit dem Titel Fischerei im Nordostatlantik - Herausforderungen für das Management von gebietsübergreifenden Fischbeständen beschreibt verschiedene Instrumentarien und Taktiken, die dabei helfen können, Lösungen für das länderübergreifenden Management der nordostatlantischen Fischbestände zu finden. Diese Taktiken der Quotenzuteilung oder zumindest Entscheidungsfindung werden bereits in anderen Teilen der Welt erfolgreich angewandt. Sie haben es beispielsweise den Ländern, die den Jack Makrelen Bestand im südamerikanischen Pazifik gemeinsam befischen, ermöglicht, sich auf eine nachhaltige Fangquotenverteilung zu einigen.

Quelle: Marine Stewardship Council (MSC) (ots)

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