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Alarmierend: deutlich mehr beschädigte Atommüllfässer als bekannt

Archivmeldung vom 18.11.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.11.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Atommüll: Betriebliche Abfälle aus Überwachungsbereichen in kerntechnischen Anlagen werden bis zum Nachweis des Gegenteils als radioaktiv angesehen. In Tonnen wie der hier gezeigten werden zum Beispiel Putzlumpen, Verpackungen, Papiermüll und Ähnliches gesammelt. Für brennbaren und unbrennbaren Abfall gibt es unterschiedliche Entsorgungswege.
Atommüll: Betriebliche Abfälle aus Überwachungsbereichen in kerntechnischen Anlagen werden bis zum Nachweis des Gegenteils als radioaktiv angesehen. In Tonnen wie der hier gezeigten werden zum Beispiel Putzlumpen, Verpackungen, Papiermüll und Ähnliches gesammelt. Für brennbaren und unbrennbaren Abfall gibt es unterschiedliche Entsorgungswege.

Foto: Prolineserver
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Das Ausmaß war bisher unbekannt: Deutschlandweit gibt es deutlich mehr Fälle beschädigter Atommüllfässer als bislang angenommen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des NDR Politikmagazins "Panorama 3" unter den Aufsichtsbehörden aller 16 Bundesländer (Sendung: Dienstag, 18. November, 21.15 Uhr, NDR Fernsehen). Fast 2000 entdeckte Fälle von verrosteten oder anderweitig beschädigten Behältern mit Atommüll verzeichnen die Behörden in den vergangenen Jahren an deutschen Kernkraftwerken sowie in Zwischenlagern und Landessammelstellen. Die zuletzt im Kernkraftwerk Brunsbüttel entdeckten Rostfässer mit Atommüll bilden demnach nur einen kleinen Teil der problematischen Altlasten.

Laut den Antworten aus den 16 Bundesländern fanden sich bundesweit an mindestens 17 Standorten leicht oder schwer beschädigte Fässer, u. a. in der niedersächsischen Landessammelstelle in Leese, in der hessischen Landessammelstelle in Ebsdorfergrund und am Kernkraftwerk Biblis. Besonders problematisch ist die Situation im größten oberirdischen Zwischenlager in Karlsruhe. Hier fanden Prüfer bei Kontrollen mehr als 1700 beschädigte Behälter mit radioaktivem Müll.

Experten gehen davon aus, dass die Anzahl der beschädigten Fässer und Container mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen noch weitaus höher ist. Michael Sailer, Atomexperte des Öko-Instituts, sagte "Panorama 3": "Ich erwarte, dass man bei genauerer Inspektion in verschiedenen Lagern weitere Korrosionen findet. Aus meiner Sicht sehen wir bislang nur die Spitze des Eisbergs und wissen nicht, wie groß der Eisberg unter Wasser ist."

Obwohl das Problem der beschädigten Atommüllfässer seit Jahren bekannt ist, hat die Bundesregierung bis heute keine umfassende Übersicht über den Zustand der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle in Deutschland. In einer noch unveröffentlichten Antwort des Bundesministeriums für Umwelt und Reaktorsicherheit auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen heißt es lediglich: "Der überwiegende Teil der Gebinde mit radioaktiven Abfällen befindet sich in einem guten Zustand." Eine Angabe, wie viele der rund 85.000 Behälter mit radioaktiven Abfällen in weniger gutem Zustand sind, fehlt.

"Wir können noch nicht sagen, wann wir alle Daten zusammen haben", so Jochen Flasbarth, verantwortlicher Staatssekretär im Bundesumweltministerium, gegenüber "Panorama 3". "Es geht darum, dass die Bundesländer ihre Verantwortung wahrnehmen müssen für den Atommüll an ihren Standorten. Der Bund trägt die Daten zusammen, wir sind hier auf die Zuarbeit der Länder angewiesen."

Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen, sieht eine erschreckende Sorglosigkeit im Umgang mit dem strahlenden Müll. "Die Bundesregierung hat offensichtlich die Probleme so lange ignoriert, bis das erste Fass in Brunsbüttel auftauchte. Dann musste sie sich zwangsläufig damit befassen, dass die Zustände wohl nicht in Ordnung sind. Aber sie versucht es nach wie vor, so weit wie möglich von sich fern zu halten", sagte Kotting-Uhl gegenüber "Panorama 3".

Die Einlagerung radioaktiver Abfälle wurde in der Vergangenheit oft falsch oder nur unzureichend dokumentiert. Die genaue Art und Zusammensetzung des strahlenden Mülls ist vielerorts unklar. Häufig kommt es zudem zu chemischen Prozessen innerhalb der Fässer. Dort, wo die Abfallbehälter dicht an dicht oder übereinander gestapelt sind, ist die Korrosionsgefahr höher. Die Lagerung erschwert gleichzeitig eine regelmäßige Überprüfung, in welchem Zustand sich die Fässer befinden.

Experten erwarten für die Zukunft eine weitere Verschärfung des Problems, da sich die Eröffnung des für schwach- und mittelradioaktive Atomabfälle vorgesehenen Endlagers Schacht Konrad in Niedersachsen immer weiter verzögert und vor 2022 nicht erfolgen wird. Viele der oft vor Jahrzehnten befüllten Fässer sind nur für eine Zwischenlagerung von wenigen Jahren vorgesehen. "Wenn sie heute feststellen, es ist wenig oder keine Korrosion an einem Fass außen, dann heißt es nicht, dass das auch in fünf Jahren noch so ist", so Atomexperte Michael Sailer. "Weil wir noch kein Endlager haben, bleiben die Fässer noch mindestens sechs bis acht Jahre stehen. Da wird noch viel chemische Korrosion passieren."

Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)

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