Dinosaurier: Steine halfen nicht beim Verdauen
Archivmeldung vom 21.12.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Riesendinosaurier hatten ein Problem: Viele von ihnen hatten schmale, spitze Zähne, die eher zum Abreißen als zum Zerkauen von Pflanzen geeignet waren. Doch wie zermalmten sie dann ihr Futter? Bislang vermuteten viele Forscher, dass ihnen Steine dabei halfen, die sie herunterschluckten. In ihrem muskulösen Magen wirkten sie dann wie eine Art "Magenmühle". Doch diese Annahme scheint nicht zu stimmen, wie Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Tübingen nun nachgewiesen haben.
Ihre Forschungsergebnisse werden am 20. Dezember 2006 von der Fachzeitschrift
Proceedings of the Royal Society online veröffentlicht
(doi:10.1098/rspb.2006.3763).
Was tun, wenn man keine guten Zähne hat und
das Futter schwer verdaulich ist? Manche pflanzenfressenden Vögel mit ihrem
zahnlosen Schnabel wie zum Beispiel Strauße lösen das Problem mit einer so
genannten Magenmühle. Ihr Muskelmagen ist mit einer Hornschicht ausgekleidet und
enthält Steine, die beim Zerkleinern, Zerreiben und dadurch auch beim Verdauen
der Nahrung helfen.
Riesendinosaurier aus der Jura- und Kreidezeit (200
Millionen bis 65 Millionen Jahre vor heute) wie Seismosaurus und Cedarosaurus
müssen ähnliche Verdauungsprobleme gehabt haben. Die teilweise mehr als 30
Tonnen schweren Tiere waren die größten Pflanzenfresser, die es je gegeben hat.
Viele von ihnen hatten im Verhältnis zum Körper einen sehr kleinen Kopf und
schmale, spitze Zähne, die eher zum Abreißen als zum Zerkauen von Pflanzen
geeignet waren. Dabei mussten sie für ihr schnelles Wachstum und den
Stoffwechsel ihrer gigantischen Körper enorme Futtermengen verdauen. Glatt
geschliffene Steine, die in mehreren Fällen bei Ausgrabungen im Zusammenhang mit
Skeletten von Sauropoden gefunden worden sind, werden ebenfalls als Magensteine
gedeutet.
Dr. Oliver Wings vom Institut für Geowissenschaften der
Universität Tübingen und Dr. Martin Sander von der Universität Bonn haben jedoch
nachgewiesen, dass es sich zumindest nicht um eine Magenmühle handeln kann, wie
sie heutige Verwandte der Dinosaurier besitzen: die Vögel. Unter ihnen ist der
Strauß der größte Pflanzenfresser. Für ihre Untersuchungen haben die Forscher
daher Straußen auf einer deutschen Zuchtfarm Steine wie Kalkstein, Rosenquarz
und Granit zum Fressen angeboten. Nachdem sie geschlachtet waren, untersuchten
die Wissenschaftler die Magensteine. Es zeigte sich, dass sie im Muskelmagen
schnell abgenutzt wurden und keine Politur erhielten. Im Gegenteil wurde die
Oberfläche der Steine, die teilweise glatt gewesen war, während der Experimente
im Magen rau. Die Masse der Steine entsprach dann durchschnittlich einem Prozent
der Körpermasse der Vögel.
"Zwar wurden gelegentlich Steine zusammen mit
Sauropodenskeletten gefunden", kommentiert Dr. Sander. "Wir halten sie aber
nicht für Überreste einer Magenmühle, wie sie bei Vögeln vorkommt." In einer
solchen Magenmühle wären die Steine stark abgerieben worden und hätten keine
glatt polierte Oberfläche. Außerdem sind Magensteine bei Sauropodenfunden nicht
regelmäßig dabei. Wenn vorhanden, ist ihre Masse im Verhältnis zur Körpergröße
viel geringer als bei Vögeln. "Wir extrapolieren bei diesem Vergleich über vier
Größenordnungen, von einem 89 Kilogramm schweren Strauß zu einem 50 000
Kilogramm schweren Sauropoden. Das mag etwas gewagt erscheinen. Aber innerhalb
der Vögel reicht die Spannweite des Körpergewichts und entsprechender
Magensteinmassen ebenfalls über vier Größenordnungen, vom 17 Gramm leichten
Rotkehlchen zum Strauß", sagt Oliver Wings, der erst kürzlich von der Uni Bonn
nach Tübingen gewechselt ist.
Doch wozu waren die Magensteine der
Dinosaurier sonst gut? Die Forscher vermuten, dass sie versehentlich mit
gefressen oder zur Verbesserung der Mineralstoffaufnahme absichtlich verschluckt
worden sein könnten. Doch wenn die Steine nicht bei der Zerkleinerung der
Pflanzennahrung geholfen haben, muss der Verdauungstrakt der Sauropoden andere
Methoden genutzt haben. Denn bei der Zersetzung der großen Mengen schwer
verdaulichen Materials müssen Bakterien im Verdauungstrakt helfen. Die können
das Futter aber umso besser abbauen, je kleiner die Stücke sind. Möglicherweise,
so folgern die Wissenschaftler, war der Sauropodendarm so gebaut, dass die
Nahrung sehr lange dort zurückgehalten wurde, um die Verdauung zu
verbessern.
Es gibt jedoch eine andere Gruppe Dinosaurier, deren Magensteinüberreste sich Oliver Wings' Untersuchungen zufolge gut mit einer vogelähnlichen Magenmühle in Übereinstimmung bringen lassen. Aus diesen so genannten Theropoden haben sich die heutigen Vögel entwickelt. Die Magenmühle könnte sich demzufolge in der Vogelstammlinie entwickelt haben.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.