Schlangenkopffische – neue Studie bringt Ordnung ins Arten-Chaos
Archivmeldung vom 21.09.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAnfang der 2000er führte das zufällige Aussetzen einiger Exemplare des Argus-Schlangenkopffisches, Channa argus, in Flüsse und Seen in den USA zu einer unerwarteten Medienhysterie. Das invasive und gefräßige Verhalten dieser Art schien die dortige lokale Fischfauna zu gefährden. Die amerikanische Filmindustrie setzte die Schlangenkopffische, welche auch kurze Distanzen an Land zurücklegen können, bereits als blutige Hauptdarsteller in Horror-Filmen und in einem etwas reißerisch angelegten Dokumentarfilm von National Geographic ein. Nach Piranhas und Haien scheinen Drehbuchschreiber von Low-Budget-Horrorfilmen einen neuen Lieblingsfisch gefunden zu haben.
Wissenschaftlich gesehen sind Schlangenkopffische eine kleine Gruppe von 38 anerkannten Arten, die in den Süßgewässern Afrikas und Asiens vorkommen. In ihren Herkunftsländern sind sie wichtige Speisefische. Einige Arten werden in der Aquakultur eingesetzt. Immer wieder wurden diese Arten in unterschiedlichen Teilen der Welt eingeführt und haben sich dort etablieren können. Die korrekte Artidentifizierung von Schlangenkopffischen hat sich oft als schwierig herausgestellt und hat zu zahlreichen Fehlidentifikationen geführt – auch bei den wenigen invasiven Arten. Auffällige Veränderungen in der Färbung zwischen Jungtieren, Halberwachsenen und Erwachsenen und historisch bedingte Unterschiede in der Interpretation der Artabgrenzungen haben zu Unsicherheiten geführt.
Artidentifizierung mithilfe von DNA Barcodes
In den letzten Jahren wurden vermehrt DNA-Barcodes, kurze DNA-Sequenzen eines Gens aus dem Mitochondrium, bei der Identifizierung potentiell invasiver und bereits etablierter Schlangenkopffischarten benutzt. Dr. Lukas Rüber vom Naturhistorischen Museum Bern und ein internationales Team von Wissenschaftlern, darunter einige der führenden Taxonomen von Schlangenkopffischen, haben umfangreiche genetische Untersuchungen an Schlangenkopffischen durchgeführt. Sie haben hunderte von neuen DNA-Barcodes produziert, denen Tieren zu Grunde lagen, die von Schlangenkopffisch-Experten bestimmt worden waren. In einem zweiten Schritt verglichen sie ihre DNA-Barcodes mit denen, die von anderen Forschergruppen in GenBank, einer DNA-Sequenzdatenbank, hinterlegt worden waren. In ihrer heute veröffentlichten Studie in der Zeitschrift PLOS ONE, stellten Rüber und sein Team fest, dass über 16% der in GenBank hinterlegten Schlangenkopffisch DNA-Barcodes von falsch identifizierten Arten stammen. «Wie Sie sich vorstellen können, waren wir sehr überrascht und ziem-lich geschockt über dieses Ergebnis» sagte Lukas Rüber, der Leiter der Untersuchung, «denn immerhin wird GenBank als die Datenbank für DNA Sequenzen erachtet und von verschiedensten Forschern konsultiert». Natürlich führt eine falsche Artbestimmung zu fehlerhaften Schlussfolgerungen. Mit der Hinterlegung der neuen DNA-Barcodes können die ständigen Fehlbestimmungen künftig verhindert werden.
Unterschätzte Artenvielfalt bei Schlangenkopffischen
Die Resultate dieser Untersuchung zeigen darüberhinaus, dass die Artenzahl in der Familie der Schlangenkopffische wohl deutlich höher liegt als bisher angenommen. Die höhere Arten-zahl ist vor allem darauf zurückzuführen, dass kürzlich mehrere unbeschriebene Arten mit punktartigen Verbreitungsgebieten aus dem osthimalayischen Biodiversitäts-Hotspot bekannt wurden. Weiter hat die genaue Untersuchung von weitverbreiteten Arten ergeben, dass diese in geographisch klar definierte und genetisch unterschiedliche Gruppen zerfallen. Das hat dazu geführt, dass die Anzahl Schlangenkopffisch-Arten bisher unterschätzt wurde.
Schlangenkopffische sind natürlich keine menschenfressenden Horrorkreaturen, sondern farbenfrohe, faszinierende, hochspezialisierte Süßwasserfische, die außergewöhnliche Verhaltensweisen zeigen. Zum Beispiel können sie stundenlang außerhalb des Wassers überleben dank eines zusätzlichen Atmungsorgans. Sie zeigen ein aufwändiges und kompliziertes Fortpflanzungs- und Führsorgeverhalten, etwa beim Bauen eines Nestes und dem Betreuen der Eier und Jungfische. Die Mehrzahl der Schlangenkopffischarten hat es gar bis zur Maulbrut-pflege gebracht, der am weitesten entwickelten Form der Brutfürsorge bei Fischen.
Quelle: Naturhistorisches Museum Bern (idw)