Klimapolitik absurd: Tiefensee plant Prädikat "klimaschonend" für schwere Geländewagen
Archivmeldung vom 10.04.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDas am Osterwochenende von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) lancierte Konzept eines an der Nutzlast orientierten Klima-Passes für Pkw führt zu dem Ergebnis, dass künftig ausgerechnet die umstrittenen schweren Geländewagen (Sport Utility Vehicles, SUV) als besonders umweltverträglich bewertet werden müssten.
Auf diese absurde Konsequenz des Tiefensee-Vorstoßes, der
jenseits aller in Fachkreisen diskutierten Effizienzkriterien für Pkw
liegt, hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hingewiesen.
"Mit Tiefensees scheinheiligem Vorschlag erreicht die Ankündigungspolitik der Bundesregierung in Sachen Klimaschutz einen neuen Tiefststand", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Die Ankündigung eines nutzlast-orientierten Energie-Passes zur angeblich "besseren Kennzeichnung der Umweltverträglichkeit von Pkw" beweise, dass "das Verkehrsministerium Pkw mit Extremverbräuchen trotz der alarmierenden Berichte des Weltklimarats über die Folgen des Klimawandels weiterhin unter seinen besonderen Schutz stellen will."
Entgegen allen bisher im In- und Ausland diskutierten Modellen für eine ehrliche Kennzeichnung der Spritverbrauchs-Effizienz von Fahrzeugen nach der Fahrzeuggröße oder ihrem Gewicht will Tiefensee nach seinen Ankündigungen vom Wochenende die CO2-Emissionen im Verhältnis zur Nutzlast kennzeichnen. Eine solche in keinem Land der Erde praktizierte Methode würde ausgerechnet die schweren Edel-Geländewagen begünstigen und ihnen ein Siegel der Umweltverträglichkeit verleihen.
"Dieser Vorschlag von Minister Tiefensee verhöhnt jede ernst
gemeinte Klimapolitik und zeigt einmal mehr, wie eng diese
Bundesregierung mit den deutschen Autobauern verbandelt ist.
Ausgerechnet die umstrittensten Klimakiller auf deutschen Straßen
sollen von der aktuellen Diskussion profitieren und erhalten vom
Verkehrsminister das Prädikat besonders umweltfreundlich - das ist
Klimapolitik absurd. EU-Umweltkommissar Dimas und der ehemalige
UNEP-Direktor Töpfer haben recht in ihrer Kritik: Eine deutsche
Klimapolitik findet nicht statt", so Resch.
Dass Tiefensee seinen Vorschlag auch noch unter die Überschrift
"mehr Transparenz für die Autokäufer" stelle, grenze an
"systematische Volksverdummung". Würde der nutzlast-orientierte
Klima-Pass Realität, wäre nach Reschs Überzeugung sogar eine
dramatische Fehlsteuerung bei den Autokonstrukteuren programmiert.
"Sie würden mit einer verstärkten Federung, kräftigen Stoßdämpfern
und ähnlichen Maßnahmen die Nutzlast künstlich nach oben treiben und
so noch schwerere Autos konstruieren", erläuterte der
DUH-Geschäftsführer. Die DUH fordert hingegen eine Kennzeichnung der
Energieeffizienz nach Fahrzeuggröße, wie dies seit Jahren von
Umweltverbänden und dem Umweltbundesamt gefordert wird.
Die DUH erinnerte daran, dass nirgendwo in Europa so vehement über die Notwendigkeit konkreter Klimaschutzmaßnahmen verlautbart werde wie in Deutschland. Doch während hierzulande nur untaugliche Vorschläge debattiert würden, schafften andere EU-Staaten Anreize zur Produktion und zum Kauf klimaverträglicherer Autos. Vier Beispiele:
- Belgien gewährt beim Kauf von besonders verbrauchsgünstigen Pkw bis
zu 4.270 Euro Steuervorteil.
- In Frankreich gilt für Firmenwagen eine mit dem CO2-Ausstoß
überproportional ansteigende Steuer. So kostet ein Toyota Prius mit
104 g CO2/km ganze 208 Euro, ein Porsche Cayenne Turbo mit 358 g
CO2/km aber 6.802 Euro.
- In den Niederlanden werden Hybrid-Pkw mit bis zu 6.000 Euro
subventioniert und Fahrzeuge mit einem erhöhten CO2-Ausstoß mit
einer Strafsteuer belegt.
- In Portugal hat die CO2-bezogene Zulassungssteuer für Pkw mit zu
den europaweit niedrigsten CO2-Werten bei Pkw-Neuwagen geführt. Ein
Renault Twingo 1,2 mit 118 g CO2/km kostet 48,38 Euro, ein VW
Touareg V10 TDI mit 333 g CO2/km hingegen mit 11.388,60 Euro mehr
als das 200-fache.
Vergleichbar wirksame Instrumente hat die deutsche Automobilindustrie hierzulande bisher erfolgreich verhindert. Auch die derzeit diskutierte Umstellung der hubraumbezogenen Kfz-Steuer auf CO2-Basis droht nach Überzeugung der DUH zu einem Rohrkrepierer für den Klimaschutz zu werden: Das augenblicklich diskutierte Modell mit einem linearen Verlauf der Steuer führt zu keiner wirksamen Lenkungswirkung. Bei vielen Motoren mit großem Hubraum führt es sogar zu einer Senkung der Kfz-Steuer gegenüber heute.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe e.V.