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Ministerin Julia Klöckner ignoriert Staatsziel Tierschutz

Archivmeldung vom 26.03.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.03.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Bild: daniel stricker / pixelio.de
Bild: daniel stricker / pixelio.de

Das Bündnis für Tierschutzpolitik zieht Bilanz nach einem Jahr Landwirtschaftspolitik mit Julia Klöckner: Trotz großer Versprechungen hat sich an vielen Missständen in der Tierhaltung so gut wie nichts geändert. Die Bündnismitglieder, die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, der Bundesverband Tierschutz e.V., der Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V., PROVIEH e.V. sowie VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz, kritisieren, dass die Bundesministerin wirtschaftliche Interessen über das Staatsziel Tierschutz stelle.

»Sei es bei der betäubungslosen Kastration von Ferkeln, bei Tiertransporten in Drittländer oder durch niedrige Standards in der Tierhaltung - die Bundesministerin sorgt dafür, dass Verantwortliche weiter routinemäßig gegen Tierschutzvorgaben verstoßen und dies auch noch wirtschaftlich begründen dürfen«, fasst Konstantinos Tsilimekis, Geschäftsleiter der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, die Kritik zusammen. »Frau Klöckner darf sich nicht über geltendes Recht hinwegsetzen und das Staatsziel Tierschutz weiter so sträflich ignorieren.«

»Um die Missstände in der Tierhaltung zu verringern, benötigt Deutschland eine mutige und mitfühlende Ministerin, die eine Vision entwickelt und den dringenden Umbau der Tierhaltung konsequent angeht. Stattdessen werden gravierende Probleme so lange wie möglich aufgeschoben, und echte Lösungen blockiert, wie derzeit bei den Tiertransporten und beim Thema Ferkelkastration sichtbar«, ergänzt Jasmin Zöllmer, Referentin für Agrarpolitik von PROVIEH.

Laut eigenen Aussagen vermittelt Julia Klöckner zwischen den verschiedenen widersprüchlichen Interessengruppen. Ihre Entscheidungen trifft sie jedoch zugunsten der industriellen Tierhaltung und ohne die Einbeziehung wichtiger und seit vielen Jahren fachlich arbeitender Tierschutzorganisationen. Tierschutz ist aber weder ein Vorschlag noch ein Interesse, sondern eine gesetzliche Pflicht.

Betäubungslose Ferkelkastration: verfassungswidrige Verlängerung

Trotz einer fünfjährigen Übergangsfrist, welche die Politik tatenlos verstreichen ließ, setzte sich die Bundesministerin dafür ein, die Betäubungspflicht bei Ferkelkastrationen um weitere zwei Jahre aufzuschieben. So werden weiterhin jedes Jahr 20 Millionen Ferkel unter starken Schmerzen ohne Betäubung kastriert. Julia Klöckner schob die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Schweinezüchter vor. Da es aber bereits praxistaugliche Alternativen gibt, die laut Berechnungen des bundeseigenen Thünen-Instituts sogar kostenneutral sind, ist dieser Aufschub verfassungswidrig und unnötig. Statt auf die kostengünstigeren, tierfreundlicheren Alternativen ohne chirurgischen Eingriff zu setzen - der Ebermast mit und ohne Immunokastration - wird mit der Isoflurannarkose jetzt eine Methode mit Millionen von Steuergeldern subventioniert, die die Tiere weiterhin verstümmelt.

Tiertransporte in Drittländer: Thema konsequent ignoriert

Obwohl die katastrophalen Zustände bei Tiertransporten innerhalb und außerhalb der EU seit Jahren bekannt sind, sah die Bundesministerin lange keinen Grund zu handeln. Exportgewinne sind ihr wichtiger, wie sie in ihrer eigenen Bilanz schreibt: Durch ihr Ministerium »konnten die Absatzmärkte für Tiere und tierische Erzeugnisse in Drittländern [...] erhalten und erweitert werden«.

Den Ländern, die durch vorläufige Exportstopps keine Verantwortung mehr für die tierschutzwidrigen Transporte in Drittländer übernehmen wollen, wirft sie »überstürztes« Handeln vor. Ihre derzeitige Lösung, die Abkommen mit Drittländern über Schlachttiertransporte zu kündigen, geht das eigentliche Problem nicht an: Der überwiegende Teil der Tiere geht zu vermeintlichen Zuchtzwecken in Drittländer. Daran, dass die Tiere unter tierschutzwidrigen Bedingungen transportiert und vor Ort früher oder später ohne Betäubung geschlachtet werden, ändert das nichts.

Tierwohl-Kennzeichnung: noch wirkungslos

Die Tierwohl-Kennzeichnung der Bundesministerin überträgt die Verantwortung für ein scheinbares Mehr an Tierschutz an die Verbraucher. Zwar hat die Ministerin bei dem Thema tatsächlich mehr Gas gegeben als ihr Vorgänger. Ihr System existiert bislang aber nur für eine Tierart und ist lediglich freiwillig. Das Schwänzekupieren ist in der Einstiegsstufe weiterhin erlaubt, obwohl das routinemäßige Kupieren bereits seit 1994 EU-weit verboten ist. So wird diese Verletzung geltenden EU-Rechts sogar mit »Tierwohl« ausgezeichnet.

Dringender Umbau der Tierhaltung versäumt

Mehrmals hat der eigene wissenschaftliche Beirat des Landwirtschaftsministerium auf die Dringlichkeit hingewiesen, die Tierhaltung in Deutschland umzubauen. Deutschland könnte viel Geld aus der Gemeinsamen Agrarpolitik zielgerichteter einsetzen, z. B. für Tierschutzleistungen, und damit den Umbau der Tierhaltung mitfinanzieren. Doch das Ministerium setzt weiterhin auf pauschale Flächenprämien, die pro Hektar ausgezahlt werden und zementiert damit ein rückwärtsgewandtes System anstatt endlich die Zukunft zu gestalten.

Die Organisationen fordern:

   - ein sofortiges Ende der betäubungslosen Ferkelkastration sowie 
     den Umstieg auf Ebermast mit oder ohne Immunokastration
   - einen sofortigen bundesweiten Transportstopp für Tiertransporte 
     in Drittländer außerhalb der EU
   - eine einheitliche verpflichtende Haltungskennzeichnung für 
     Fleisch- und Milchprodukte
   - eine Vision zum Umbau der Tierhaltung mit konkreten 
     Meilensteinen und Finanzierungskonzept 

Mehr über das Bündnis für Tierschutzpolitik und seine Positionen erfahren Sie hier: www.buendnis-fuer-tierschutzpolitik.de

Quelle: Albert Schweitzer Stiftung f. u. Mitwelt (ots)

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