Dem Wald aufs Dach steigen und so seine Öko-Bedeutung begreifen
Archivmeldung vom 26.08.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer einzige Baumkronenpfad in einem europäischen Nationalpark ist offiziell eröffnet. Bernhard Schönau, Bürgermeister Bad Langensalzas (Thüringen), und Dr. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU, Osnabrück), gaben heute den Startschuss zu dem Modellprojekt im Stadtwald der 20.000-Seelen-Gemeinde.
Ziel ist es, Besuchern des Nationalparks
Hainich die Möglichkeit zu bieten, die Buchenwälder, die in ihrer
Größe einmalig in Mitteleuropa sind, in ihrer räumlichen und
ökologischen Dimension sowie in ihrem Erscheinungsbild zu erfassen
und zu begreifen und ihnen dazu in 25 Metern Höhe aufs Dach steigen
zu können. Gefördert wurde das Projekt mit fast 600.000 Euro durch
die DBU.
Aufgrund der großen Nationalparkfläche ist es schwierig, den
Besuchern auf herkömmlichem Wege einen umfassenden Eindruck von den
einzigartigen Waldgebieten im Hainich zu vermitteln. Das soll nun der
Erlebnispfad leisten - zehn Kilometer westlich der Stadt und
außerhalb der Kernzone des Nationalparks gelegen und an das Rund- und
Fernwanderwegenetz sowie das Radwegenetz im Nationalpark angebunden.
In der Mitte des 300 Meter langen Pfades wurde ein 44 Meter hoher
Treppenturm mit Aufzug errichtet, der in 36 Meter Höhe ein Baumhaus
mit einer Nutzfläche von ca. 60 Quadratmeter für Schulklassen und
Besuchergruppen bietet und auch Rollstuhlfahrern einen Zugang zum
Pfad ermöglicht. Ein weiteres bauliches Element ist ein
Freiluft-Steg, der in die Baumkronen mehrerer großer Buchen
hineinragt.
Das Umweltbildungskonzept umfasst die Themenschwerpunkte
Urwald-Baumkronen, Leitbaumart Buche, Landschaftsentwicklung und
Photosynthese, die durch Tiersymbole in Überlebensgröße auf dem Pfad
als Skulpturen dargestellt sind. Für den Punkt "Urwald-Baumkronen"
wurden vier wesentliche Charakteristika herausgearbeitet, die für
einen artenreichen Urwald typisch sind: Totholz, Altbäume,
Strukturvielfalt und Kleinklima.
Die Baumart Buche wurde auf dem Steg mit einer Verbreitungskarte
in Europa, Schautafeln und einem stark vergrößerten Reliefabbild des
Buchenblattes inmitten einer Buchenaltholzgruppe in 21 Meter Höhe
gestaltet.
Die Landschaftsentwicklung wurde an einem Landschaftsausschnitt
aus dem Nationalpark Hainich über die letzten 8.000 Jahre
Wald-Geschichte in Form von Dioramen umgesetzt, eine perspektivische
Darstellung, bei der ein perfekter räumlicher Eindruck entsteht. Für
den komplizierten Vorgang der "Photosynthese" wurde mit einer
"Zuckerfabrik" eine eher auf den Magen ausgerichtete Lösung gefunden.
Ein umgebauter Zigarettenautomat auf der Aussichtsplattform - durch
einen Solarkollektor in Buchenblattform angetrieben - bietet
Besuchern eine kleine Metalldose mit Traubenzucker, die ihm die
photosynthetische Leistung der grünen Pflanzen verdeutlichen soll.
Dazu gibt es eine Infotafel mit dem Hinweis, dass nur Pflanzen Licht
in chemische Energie umwandeln können. Manfred Großmann vom
Nationalpark Hainich: "So wird Sonnenenergie z.B. in Traubenzucker
gespeichert. Ohne diesen wichtigsten biochemischen Prozess auf
unserem Planeten könnten weder Tier noch Mensch auf unserer Erde
leben. Bäume, Wälder und ganz besonders Urwälder wie der Nationalpark
Hainich bilden so die Grundlage für alles tierische Leben."
In vier Ruhezonen wird durch Schautafeln, Bilder und
theaterpädagogische Aufführungen die Hauptbotschaft "Urwaldbaumkronen
- der vielfältigste Lebensraum der Erde" unterstützt. Ganz bewusst
soll in diesen Ruhezonen der Besucher durch Bänke zum Verweilen
animiert werden, um ihm diesen einmaligen Lebensraum in seiner Größe
und Dimension zu erschließen.
Zu den Zielgruppen des Baumkronenlehrpfades gehören Kinder,
Schulklassen und Familien. Speziell für Schüler wurden Spielangebote
konzipiert, die sich an den Inhalten der Lehrpläne für die jeweiligen
Altersgruppen orientieren. Eine wissenschaftliche Begleitung des
Projektes ist durch die Thüringer Landesanstalt für Wald, Jagd und
Fischerei sowie durch das Max-Planck-Institut für Biogeochemie in
Jena vorgesehen. DBU-Generalsekretär Brickwedde: "Das
inhaltlich-didaktische Konzept ist schlüssig und auf die Zielgruppen
zugeschnitten. Gleichzeitig bietet der Baumkronenpfad für Thüringen
die einmalige Chance, die Waldökosystemforschung in einem bereits mit
einer Waldmessstation ausgestattetem Gebiet viel komplexer als bisher
betreiben zu können."
Quelle: Pressemittteilung DBU