Braunbär JJ1 ist tot WWF: Wochenlange Bemühungen, den Braunbären zu fangen, blieben leider erfolglos
Archivmeldung vom 26.06.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.06.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach mehrwöchiger Wanderung durch Österreich und Bayern wurde der Braunbär JJ1 heute morgen in der Nähe des Spitzingsees in Bayern geschossen. Der WWF bedauert das sehr, waren die Naturschützer doch seit sechs Wochen im Dauereinsatz, um den Bären lebend zu fangen.
Der erste Bär, der nach über 170 Jahren wieder in Deutschland
angekommen war, fiel durch extreme Wanderbereitschaft und geringe
Scheu vor Menschen auf und wurde deshalb als "Problembär" eingestuft.
Dies wurde in der großen Häufung an Schäden und Begegnungen in der
Nähe menschlicher Siedlungen deutlich.
Der WWF betont, dass es sich bei JJ1, um ein verhaltensauffälliges
Tier handelte und hofft, dass die Bayern einem neuen Braunbären, der
in Zukunft "einreisen" könnte, wieder offen gegenüberstehen. "Wir
müssen uns auf diesen Fall vorbereiten und brauchen einen
grenzübergreifenden Managementplan, der genau festhält, wie Mensch
und Bär miteinander leben können", sagt Roland Melisch,
Artenschutz-Experte des WWF und fordert: "Je schneller dieser Plan
fertig wird, umso besser. Der nächste Bär kann jederzeit nach Bayern
kommen."
Mithilfe eines Management-Plans wird in Österreich schon seit 1996
erfolgreich das Zusammenleben von Mensch und Tier geregelt. Darin
enthalten sind zum Beispiel Schutzmaßnahmen, die Imker und Schäfer
treffen können, Aufklärung bei Jägern und Förstern und auch bei
Bikern und Wanderern, Pilz- und Beerensammlern, Hirten, Anglern und
Campern.
Die Chronik des Rettungseinsatzes für Bruno:
- 5. Mai: Der Bärenanwalt des WWF Österreich wird erstmalig über
die Sichtung eines Braunbären im Oberinntal bei Tösens informiert. Ab
diesem Zeitpunkt mehren sich Sichtungen und Schäden, die dieser
Braunbär im Laufe der nächsten Wochen im österreichisch-deutschen
Grenzgebiet anrichtet.
- 11. Mai: WWF-Bärenanwalt Georg Rauer wird vom Land Vorarlberg
gerufen, weil ein Bär durch zwei verschlossene Türen in einen
Schafstall eingedrungen ist. Das Expertenteam rund um die beiden
Bärenanwälte Rauer und Walter Wagner (österreichische Bundesforste)
ist seither rund um die Uhr vor Ort, überprüft und verifiziert
gegebenenfalls jede Sichtung und vermittelt zwischen Behörden und
Anwohnern.
- 19. Mai: Das WWF-Team ist von nun an mit einer speziellen
Röhrenfalle aus dem Zoo Schönbrunn in Wien unterwegs und versucht,
den Bären lebend zu fangen. Dies gestaltet sich schwierig: Der Bär
hat kein Streifgebiet und kehrt nicht an seine bisherigen Standorte
zurück. Dadurch kann die Falle nicht effektiv eingesetzt werden. Der
WWF erwägt den Kauf einer weiteren Falle, um die Chancen, den Bären
zu fangen, zu erhöhen.
- 22. Mai: Der Wildbiologe und Bärenexperte der Universität Freiburg,
Dr. Felix Knauer, berät das bayerische Umweltministerium und
unterstützt das Fangteam vor Ort.
- 25. Mai: Der WWF ordert eine zweite Röhrenfalle in den USA, um dem
Bären zielgerichteter nachstellen zu können. Kleinere Modelle dieser
Art werden in den USA erfolgreich zum Fang von Schwarzbären
eingesetzt. Die zweite Falle soll langfristig dem Bärenmanagement zur
Verfügung gestellt werden und dient auch als Transportbox für den
Bären.
- 28. Mai: Die Tierschutzstiftung "Vier Pfoten" unterstützt
kurzzeitig das Team vor Ort, zieht sich aber bald wieder zurück.
"Vier Pfoten" stellt zusammen mit der Stiftung für Bären sicher, dass
der Bär nach einer gelungenen Fangaktion im Wildpark Poing bei
München untergebracht werden kann.
- 29. Mai: Der Bär, der längst "Bruno" (italienisch: braun) genannt
wird, wird anhand einer Genanalyse eindeutig als JJ1, ein junger Bär
aus dem italienischen Trentino, identifiziert.
- 1. Juni: Der in der Betäubung von Wildtieren erfahrene Tierarzt
Professor Christian Walzer der Universität Wien ist ab sofort für das
Expertenteam mit einem Narkosegewehr abrufbereit. Einen
Betäubungsschuss bei einem Bären zu setzen gilt unter Experten als
sehr schwierig: Ein Narkose-Pfeil bewegt sich wesentlich langsamer
und instabiler als eine schwere Gewehrkugel. Da die Wirkung des
Betäubungsmittels erst nach Minuten einsetzt und der Bär in dieser
Zeit aggressiv reagieren könnte, muss ein besonders großer
Sicherheitsabstand eingehalten werden.
- 7. Juni: Der WWF bringt die zweite Bärenfalle in das Einsatzgebiet
und hilft bei der Intensivierung der Fangbemühungen.
- 10. Juni: Da JJ1 alle üblichen Bärenfangmethoden aufgrund seines
großen Wandertriebs unmöglich macht, wird eine aktive Nachsuche
eingeleitet: Ein Spezialteam aus Finnland mit schwedischen Elchhunden
soll im Auftrag des bayerischen Umweltministeriums und des Tiroler
Landesrats den Bären fangen. Der WWF-Bärenanwalt unterstützt das Team
aus Finnland logistisch und bei der Spurensicherung. Die Hunde sind
darauf spezialisiert, Braunbären zu stellen. Sowohl für die Finnen
als auch die Hunde stellen das steile alpine Gelände und die
Wetterbedingungen eine schwere Herausforderung dar. Die Handys, mit
denen die Verbindung zu den Hunden via GPS hergestellt wird, haben
teilweise keine Verbindung. Steile Hänge machen es dem Expertenteam
in der Nacht unmöglich, den viel schnelleren Hunden zu folgen.
- 20. Juni: Dem finnischen Team wird ein Polizeihubschrauber zur
Verfügung gestellt, damit der Suchtrupp noch mobiler ist.
- Im weiteren Verlauf schaffen es die Suchhunden mehrmals, den Bären
aufzuspüren - den Bären zu betäuben und einzufangen gelingt jedoch
nicht. Gründe sind unter anderem: dichtes undurchdringliches Gebüsch,
das steile alpine Gelände und unüberwindbare Geröllflächen.
- 26. Juni: Bruno wird in den Morgenstunden erschossen. An diesem Tag
endete der Auftrag der Behörden an das Team aus Finnland. Die letzten
Hundeführer sind bereits mit ihren Hunden abgereist. Auch der WWF hat
sich nach sechs Wochen andauernder erfolgloser Fangaktion
zurückgezogen.
Quelle: Pressemitteilung WWF World Wide Fund For Nature
Unseren Kommentar zu dem Fall "Bruno" finden Sie hier.