Keine Entwarnung für Mensch und Natur
Archivmeldung vom 28.11.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach Einschätzung des WWF gibt es trotz der abnehmenden Benzol-Konzentrationen im Songhua-Fluss im Nordosten Chinas keine Entwarnung für die Natur. "Die Chemie-Katastrophe zeigt nur die Spitze des Eisbergs chinesischer Umweltsünden", so WWF Süßwasserexperte Martin Geiger.
Nach Angaben des WWF ist der Songhua
auch ohne das Benzol, das vor zwei Wochen bei einem Unfall in einer
Chemiefabrik in der Provinz Jilin in den Fluß gelangte, einer der
dreckigsten Flüsse Chinas.
"Der Songhua-Fluss gleicht einer Kloake",
so Geiger. Noch immer würden städtische und industrielle Abwässer
meist ungeklärt eingeleitet. Der WWF fordert ein Maßnahmenpaket zur
Reinigung des Songhua nach dem Vorbild des erfolgreichen
"Aktionsprogramms Rhein", das nach der Katastrophe in der Schweizer
Chemiefabrik Sandoz 1986 verabschiedet worden war.
Die chinesische Regierung habe zwar einen Fünf-Jahres-Plan zur
Verringerung der Flussverschmutzung verabschiedet. Aber die ersten
Effekte werden laut Asian Development Bank nicht vor 2015 erwartet.
"Die Natur kann nicht so lange warten", betont WWF-Experte Geiger. So
sei bislang zum Beispiel nur ein Teil der 25 im Einzugsgebiet des
Songhua vorgesehenen Kläranlagen gebaut worden. Häufig fehle das Geld
zur Umsetzung der Pläne.
"Solange die schnell wachsende chinesische Industrie die
Sicherheitsstandards nicht einhält, hochgiftige Stoffe produziert und
gefährliche Schadstoffe direkt in den Fluss einleitet, ist keine
Besserung in Sicht", so der WWF. Auch die Abwässer im Einzugsgebiet
des Songhua - insbesondere der vier Millionenstädte Harbin,
Changchun, Qiqihar, Daqing - dürften nicht weiter ungeklärt
eingeleitet werden.
Die Benzol-Giftwelle schwappt nun den Songhua hinunter. Sie
erreicht frühestens in acht Tagen den Amur Fluss in Russland.
Russische Meteorologen gehen davon aus, dass die Grenzwerte in der
russischen Stadt Khabarovsk nicht mehr überschritten werden. Aber
auch der Amur-Fluß ist verseucht. Die Schadstoffe gelangen zu 60 bis
90 Prozent aus dem Songhua in den Amur. Unterhalb der Mündung des
Songhua würden bereits jetzt auf rund 250 km erhöhte Konzentrationen
an organischen Schadstoffen, Bakterien, Schwermetallen und sogar DDT
gemessen.
Für die Bevölkerung der Region ist der stark belastete Amur die
wichtigste Trinkwasserquelle. Auch der Verzehr von Fisch, einer der
wichtigsten Nahrungsquellen, gefährdet die Gesundheit der Menschen.
"Die jetzt ausgesprochene Empfehlung der Behörden, keinen Fisch aus
dem Fluss zu verzehren, greift zu kurz. Denn der Amur und seine
Fischbestände sind dauerhaft mit Schadstoffen belastet", so
WWF-Experte Geiger. Gerade in den Wintermonaten sei die Belastung
hoch, weil die Schadstoffe wegen des geringeren Wasserabflusses nicht
mehr verdünnt werden.
Ähnlich wie nach dem Sandoz-Chemieunfall am Rhein könne sich die
Natur wahrscheinlich wieder erholen, so der WWF. Dies sei aber nur
mit einem Sofortprogramm möglich. Dazu müsse, ähnlich wie im
Rhein-Aktionsprogramm, zunächst eine Liste der gefährlichsten
Umweltgifte zusammengestellt werden, deren Vorkommen verringert
werden müsse.
Quelle: Pressemitteilung WWF World Wide Fund For Nature