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Orkan "Xaver" erreicht Deutschland

Archivmeldung vom 05.12.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.12.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Doris Oppertshäuser
Bild: uschi dreiucker / pixelio.de
Bild: uschi dreiucker / pixelio.de

Das Orkantief "Xaver" hat Norddeutschland erreicht. Am Mittag fegte der Sturm mit Windgeschwindigkeiten von 115 Stundenkilometern über Helgoland hinweg. Unterdessen rechnen die Behörden in Schleswig-Holstein mittlerweile mit einer sehr schweren Sturmflut: Die Vorhersagen wurden um einen Meter nach oben korrigiert, wie das Kieler Küstenschutzministerium mitteilte. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnte seinerseits vor extremem Unwetter im Bereich der Nordseeküste sowie in den Gipfellagen des Erzgebirges und des Harzes. Im weiteren Verlauf des Tages wird erwartet, dass "Xaver" mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometern über den Norden Deutschlands hinwegfegt.

"Xaver" sorgt für Überschwemmungen und Verkehrsbehinderungen

Orkantief Xaver hat am Donnerstagnachmittag für Flug- und Bahnausfälle sowie für einen Anstieg der Pegel an der Nordsee gesorgt. Auf der Nordseeinsel Sylt wurden Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 133 Kilometern pro Stunde gemessen, am Leuchtturm Kiel waren es um 17 Uhr gar 137 Stundenkilometer. Experten rechnen mit Böen von bis zu 180 Kilometern pro Stunde. Im Hamburger Hafen durften Schiffe, die länger als 330 Meter oder breiter als 45 Meter sind, weder in die Elbe einlaufen noch den Hamburger Hafen verlassen.

Der Fischmarkt stand ab dem Nachmittag unter Wasser. Zwischen Hamburg und Westerland(Sylt), Kiel, Puttgarden sowie Flensburg verkehrten ab Donnerstagnachmittag keine Züge mehr. Ebenso eingestellt wurde der Zugverkehr zwischen Emden und Norddeich Mole, zwischen Hannover und Bremen sowie zwischen Bremen und Osnabrück.

Der Flughafen Hamburg teilte am Donnerstagnachmittag mit, dass die Abfertigung auf den Vorfeldern des Flughafens bis zum Betriebsende um 24 Uhr nicht mehr möglich sein werde. Dutzende Flüge wurden gestrichen. Die o2 World Hamburg teilte allerdings mit, dass das geplante Placebo-Konzert trotz Unwetters stattfinden sollte. Auch weiter südlich gab es Verkehrsbehinderungen. So mussten auch in Sachsen-Anhalt und Nordthüringen Straßen wegen Sturmschäden gesperrt werden.

Der Deutsche Wetterdienst prognostizierte für den Abend an der Küste sowie im Bergland Nord- und Ostdeutschlands Orkanböen über 120 km/h, in exponierten Lagen auch extreme Orkanböen über 140 km/h aus Südwesten, später aus Westen bis Nordwesten. Auch im Binnenland, etwa nördlich einer Linie Niederrhein bis hinüber nach Brandenburg, könne es vor allem in Verbindung mit der Passage der Kaltfront sowie bei kräftigen Schauern orkanartige Böen um 110 km/h, vereinzelt Orkanböen um 120 km/h geben. Weiter südlich gibt es zum Abend hin Sturmböen um 85 km/h, vereinzelt auch schwere Sturmböen bis 100 km/h.

Außen vor von dieser Entwicklung blieben bis zum Abend noch die Niederungen etwa südlich der Donau, so der Wetterdienst weiter. Abgesehen von der Sturmentwicklung weitet sich bis zum Abend schauerartiger Regen bis in die Mitte Deutschlands aus. Zudem greift eine Gewitterlinie von der Nordsee her auf Deutschland über, die sich allmählich nach Süden verlagert. Mit Durchzug dieser Linie treten vielerorts die stärksten Böen auf, zudem kann es Graupel- und auch bis in tiefe Lagen kräftige Schneeregen- bzw. Schneeschauer geben, die vorübergehend für Glätte durch Graupel und Schneematsch sorgen.

In der Nacht zum Freitag verlagert sich der Schwerpunkt des Sturmes allmählich ostwärts. An den Küsten und im Bergland ist dabei nach wie vor mit Orkanböen, im nord- und ostdeutschen Binnenland zumindest mit schweren Sturmböen, in kräftigeren Schauern vereinzelt auch mit orkanartigen Böen zu rechnen. Nach Süden und Westen hin gibt es im Flachland Sturmböen. Im Nordosten muss in den Frühstunden und am Vormittag mit einer nochmaligen vorübergehenden Sturmverschärfung gerechnet werden, wobei im Binnenland orkanartige Böen, an der Küste Orkanböen, an der Ostsee an exponierten Stellen auch extreme Orkanböen auftreten können.

Die schauerartigen Niederschläge greifen nachts auch auf die Südhälfte über, zuletzt in den Frühstunden auf die Alpen. Dabei kann es teilweise bis in tiefe Lagen schneien und im Bergland oberhalb etwa 400 bis 600 m, im Südwesten eher oberhalb 800 m, gibt es Schneeverwehungen, die unwetterartig ausfallen können. Im morgendlichen Berufsverkehr kann es besonders im Mittelgebirgsraum zu erheblichen Behinderungen durch winterliche Straßenverhältnisse kommen.

"Xaver": Hamburgs Schulen schlossen

Die Schulen in Hamburg wurden ab 11 Uhr geschlossen. Grundschüler konnten von ihren Eltern abgeholt werden, teilte die Stadt unter anderem über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Zunächst wollte die Hamburger Schulbehörde den Unterricht regulär stattfinden lassen. Das Präsidium der Universität Kiel stellte allen Angehörigen der Christian-Albrechts-Universität, Beschäftigten und Studierenden frei, heute bis 12 Uhr ihren Dienst in der Universität anzutreten beziehungsweise an Lehrveranstaltungen teilzunehmen. Ab 12 Uhr sind an der Uni alle Lehrveranstaltungen und öffentliche Veranstaltungen ausgefallen, wie die Universität auf ihrer Internetseite mitteilte.

Das Hauptwindfeld von "Xaver" mit extremen Böen und Windgeschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometern werde voraussichtlich bis zum frühen Abend über den Norden Deutschlands hinwegziehen, hieß es seitens des Deutschen Wetterdienstes.

"Xaver" sorgt für Chaos in Schottland

Das Orkantief "Xaver" hat am Donnerstagmorgen Schottland erreicht und für Chaos gesorgt. In den Highlands im Norden Schottlands waren nach heftigem Wind und Regenfällen 20.000 Haushalte ohne Strom, wie örtliche Medien berichten. Zugverbindungen wurden gestrichen, zahlreiche Straßen und Brücken vorsichtshalber geschlossen. Neben der schottischen warnte auch die englische und die walisische Küstenwache, dass es im Verlauf des Donnerstags möglicherweise zu schweren Überflutungen kommen könnte.

Norddeutschland bereitet sich auf Sturmflut vor

Norddeutschland bereitet sich auf die möglicherweise schlimmste Sturmflut seit 1962 vor. Ab spätestens etwa 10 Uhr am Donnerstagvormittag galten entlang der Nordseeküste sowohl beim Deutschen Wetterdienst als auch beim privaten Wetterdienst Meteomedia die höchsten Unwetterwarnstufen. Für manche Inseln hatte Meteomedia bereits für 7 Uhr die Warnstufe "Violett" ausgerufen, demnach drohen bis Samstagmorgen Orkanböen mit lokal über 150 Stundenkilometern.

Der Deutsche Wetterdienst ging von ähnlichen Werten aus und warnte, dass schwere Schäden an Gebäuden möglich seien. Bäume könnten entwurzelt werden und Dachziegel, Äste oder Gegenstände herabstürzen. Der Aufenthalt im Freien sollte generell vermieden, Fahrzeuge nach Möglichkeit in die Garage gestellt werden.

Die Deutsche Bahn teilte mit, dass es abhängig von den Auswirkungen des Sturmes Zugeinstellungen geben könnte. In Hamburg blieb der Dom wegen Orkantief "Xaver" aus Sicherheitsgründen am Donnerstag geschlossen und die Weihnachtsmärkte schlossen um spätestens 15 Uhr. Bis zu einer Linie Münster-Berlin muss noch mit orkanartigen Böen bzw. schweren Sturmböen gerechnet werden. Im Süden kommt es in den Niederungen voraussichtlich "lediglich" zu stürmischen Böen bzw. Sturmböen, teilte der DWD weiter mit. In den Hochlagen könne es allerdings auch zu schweren Sturmböen, auf den Kamm- und Gipfellagen zu Orkanböen kommen.

Der Höhepunkt des Orkans wird im Bereich der Nordseeküste am Donnerstagabend, an der Ostsee in der Nacht zum Freitag bzw. Freitagfrüh erwartet. Danach werde die Windstärke langsam aber stetig zurückgehen. In der Nacht zum Samstag können zwar in exponierten Lagen der östlichen Landesteile noch orkanartige Böen auftreten, sonst muss weiterhin mit Sturmböen gerechnet werden. Im Westen und Südwesten werden hingegen nicht mal mehr Windböen erwartet. Eine fast schon kuriose Auswirkung hat "Xaver" auf die Energiepreise. Weil Experten davon ausgehen, dass deutsche Windturbinen durch das Orkantief in den kommenden Tagen drei- bis viermal so viel Elektrizität produzieren wie normalerweise, sind die Strompreise stark gesunken.

Wetterdienst warnt vor starken Schneeverwehungen

Der Deutsche Wetterdienst warnt derzeit vor starken Schneeverwehungen in Teilen des Berglands in Deutschland. Die Unwetterwarnung ist zunächst gültig bis Freitagabend. Durch die Unwetter können stellenweise Straßen und Schienenwege unpassierbar werden.

Ab den Abendstunden strömt von Norden her arktische Kaltluft nach Deutschland, die sich bis zu den Alpen ausbreitet. Dabei kommt es zu Niederschlägen, die zunehmend bis in tiefe Lagen als Schnee fallen. Im Zusammenhang mit dem stürmischen Wind kommt es im Bergland oberhalb 400 bis 800 Meter zu teilweise starken Schneeverwehungen, die bis Freitag, eventuell auch noch länger andauern. Möglicherweise müssen die Warnungen in einigen Regionen noch in tiefere Lage ausgedehnt werden.

Bahn: "Xaver" führt zu erheblichen Einschränkungen im Zugverkehr

Im Zugverkehr der Deutschen Bahn gibt es wegen des Orkantiefs "Xaver" vor allem in Norddeutschland erhebliche Einschränkungen. In Schleswig-Holstein ist der Fernverkehr eingestellt, dazu gehören auch die grenzüberschreitenden Verbindungen nach Dänemark, teilte die Deutsche Bahn mit.

Auch die Strecke Hannover-Bremen ist gesperrt. Im Regionalverkehr in Schleswig-Holstein kommt es auf allen Strecken auf Grund verminderter Geschwindigkeiten der Züge zu deutlich längeren Fahrzeiten. Auf der Strecke Neumünster Flensburg wurde der Zugverkehr eingestellt. Der Sylt-Shuttle zwischen Niebüll und Westerland fährt bereits seit dem Vormittag nicht mehr. In Mecklenburg-Vorpommern sind die Strecken Rostock-Stralsund und Stralsund-Greifswald gesperrt. Schienenersatzverkehr wird eingerichtet.

Altkanzler Schmidt: "Xaver" nicht so schlimm wie Sturmflut 1962

Altbundeskanzler Helmut Schmidt hält die Gefahr von Überschwemmungen und Zerstörungen durch das Sturmtief "Xaver" für geringer als bei der Hamburger Sturmflut 1962. "Wenn es beim Ausmaß von 1962 bleibt, ist das nicht sehr schlimm", sagte Schmidt gegenüber der "Bild-Zeitung" (Freitagausgabe). "Die Flutmauern und Deiche sind seit damals erheblich verstärkt und erhöht worden. Wir haben nach 1962 unglaublich investiert. Ohne diese Maßnahmen stände die neue Hafencity regelmäßig unter Wasser."

Wenn die aktuellen Vorhersagen zuträfen, "können die Menschen beruhigt sein. Dann wird es nicht entfernt so schlimm die damals", so Schmidt. Die Hansestadt müsse sich jedoch zunehmend Gedanken machen, wie der Hamburger Hafen auch in Zukunft sicher bleiben könne, so Schmidt: "Die Frage ist, ob Hamburg auf Dauer ein Tidehafen von Bedeutung bleiben kann. Die riesigen Containerschiffe liegen schon jetzt so tief im Wasser, dass sie nur noch mit der Flutwelle einlaufen können. Die nächste Generation wird nicht mehr voll beladen durch die Elbe passen."

Schmidt sprach sich in der Zeitung zudem dafür aus, dass Hamburg – ähnlich wie Konkurrenz-Häfen an der Nordsee – Planungen für den Bau eines Sperrwerks gegen die Nordseefluten in Angriff nimmt. "Hamburgs Konkurrenzhäfen Rotterdam und Antwerpen sind vor Sturmfluten durch Schleusen geschützt. Bremerhaven, Wilhelmshaven und Hamburg nicht", so Schmidt. "Die Hamburger müssten ein Elbsperrwerk wenigstens mal durchrechnen und von Wissenschaftlern prüfen lassen. Denn wenn die Prognosen über die Erderwärmung und den steigenden Meeresspiegel zutreffen, könnten wir in 15 oder 20 Jahren ein Sperrwerk brauchen. Ganz abgesehen von Unwettern wie dem aktuellen Orkan. Andernfalls kann Hamburg als Hafenstandort zweitrangig werden."

Deutscher Wetterdienst widerspricht Medienbericht

Der Deutsche Wetterdienst hat einem Medienbericht widersprochen, wonach die Unwetterwarnung für Hamburg nicht mehr gelte. Eine große deutsche Nachrichtenagentur hatte am Donnerstagabend nach 18 Uhr verbreitet, der Deutsche Wetterdienst habe die Unwetterwarnung wegen des Orkans "Xaver" für Hamburg aufgehoben. Ein Sprecher des DWD sagte der dts Nachrichtenagentur, diese Angabe sei falsch. Lediglich die "Gewitterwarnung" für Hamburg sei aufgehoben. Die Warnung vor orkanartigen Böen mit Geschwindigkeiten um 110 Stundenkilometern bleibe weiterhin bestehen und gelte bis 10 Uhr am Samstag. Vermutlich werde die Warnung verlängert.

Klimaforscher Latif: Unwetter ist ein typischer Herbststurm

Klimaforscher Mojib Latif hat im phoenix-Interview das Sturmtief "Xaver" als normalen Herbststurm bezeichnet: "Wir haben zwar in kürzester Zeit zwei schwere Stürme gehabt, aber daraus kann man jetzt keinen Trend ablesen". Latif erwartet langfristig häufiger durch den Klimawandel verursachte Wetterextreme: "Ein heftiges Gewitter und die Windböen können noch stärker werden." Dies könne lokal dann öfter zu Überschwemmungen führen.

Quelle: dts Nachrichtenagentur / phoenix

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