Greenpeace-Aktivisten protestieren gegen überalterte AKW in Europa
Archivmeldung vom 05.03.2014
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Freigeschaltet durch Doris OppertshäuserMehr als 100 Greenpeace-Aktivisten protestieren heute Morgen an den grenznahen Atomkraftwerken in Beznau (Schweiz) und Tihange (Belgien) gegen die Gefahr alternder Atomreaktoren in Europa. In Beznau befinden sich rund 100 Umweltschützer auf dem AKW-Gelände, Kletterer besteigen den Reaktor 2 des AKW. Im belgischen Tihange projizierten einige Dutzend Aktivisten "The end" und Radioaktivitätszeichen an den Kühlturm des AKW.
Ein 4,50 Meter hohes und zwei Meter breites Atommüllfass haben sie am Eingang platziert. "Die überalterten Atomkraftwerke sind tickende Zeitbomben. Der Weiterbetrieb ist absolut unverantwortlich", sagt Heinz Smital, Kernphysiker und Greenpeace Atomexperte vor Ort in Tihange. "Die maroden Uralt-Meiler an der Grenze zu Deutschland müssen unverzüglich vom Netz gehen bevor es zu einem schweren Unfall mit Auswirkungen für ganz Europa kommt. "Ein heute veröffentlichter Report von Greenpeace beweist: Steigendes Alter erhöht die Gefahr eines schweren Unfalls. Die Laufzeit des störanfälligen Meilers Tihange 1 hat Belgien dessen ungeachtet gerade auf 50 Jahre verlängert. Beznau ist mit 45 Jahren das älteste AKW der Welt. Europa betritt eine neue Ära des atomaren Risikos: Über 60 der AKW sind bereits älter als 30 Jahre, einige haben die 40 Jahre überschritten.
Dennoch planen viele Regierungen, die Laufzeiten weiter zu verlängern und die Erzeugerleistungen sogar noch zu steigern. Staaten wie Frankreich und die Schweiz ignorieren das Risiko, das von den alternden Systemen ausgeht. Belgien hat zwar den Atomausstieg beschlossen, lässt Tihange aber dennoch länger am Netz. In Europa bemühen sich Energieunternehmen derzeit um Laufzeitverlängerungen für 46 alte Atomreaktoren. Die Alterung ist in fast allen europäischen Ländern mit Atomenergie ein drängendes Problem: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Ungarn, Großbritannien, Niederlande, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien und Ukraine. Trotz Nachrüstungen und Reparaturen verschlechtert sich der Gesamtzustand von Atommeilern langfristig durch Materialermüdung und -verschleiß.
Europäische Energiewende ohne Atomkraft
Im Fall eines ernsthaften Unfalls in einem oder mehreren Atomreaktoren sind zudem die aktuellen Summen der Atomhaftpflicht in Europa - je nach Land - zur Deckung der wahrscheinlichen Kosten um einen Faktor zwischen 100 und 1000 zu niedrig. Experten schätzen die realen Schäden jedoch so hoch ein, dass kein Unternehmen diese überhaupt versichern würde.
Am 20. /21. März diskutiert die EU darüber, wie ihr Energiemix im Jahr 2030 aussehen soll. Welche Rolle dabei Atomkraft spielt, wird die Debatte maßgeblich beeinflussen. "Bisher drängt Europa zu wenig auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Das vorgeschlagene Ziel um `mindestens 27 Prozent´ ist deutlich zu niedrig, um einen Systemwechsel von Kohle und Atom hin zu Sonne und Wind zu bewirken", sagt Smital. Greenpeace fordert ein für jedes Mitgliedsland verbindliches Ausbauziel für Erneuerbare Energien von mindestens 45 Prozent bis zum Jahr 2030. Ohne einen solchen Ausbau wird Europa noch über Jahrzehnte abhängig bleiben von Atomkraft und Kohleenergie.
Quelle: Greenpeace e.V. (ots)