Naturschützer funken S.O.S.: Rettet die Schweinswale in der Ostsee
Archivmeldung vom 30.04.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDem Schweinswal in der Ostsee geht es schlecht. Zu diesem Ergebnis kommen die Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere GSM, die Gesellschaft zur Rettung der Delphine (GRD) und der Naturschutzbund NABU nach Auswertung des Sichtungsprogramms der GSM. Mehr als 1.100 lebende Schweinswale wurden im Jahr 2007 gemeldet, aber auch 173 tote Schweinswale an der deutschen Ostseeküste aufgefunden.
„Allein an der Küste der westlichen Ostsee von Schleswig-Holstein wurden im vergangenen Jahr mehr als doppelt so viele Kadaver angetrieben wie im Jahr 2006“, stellt Hans-Jürgen Schütte, der das GSM-Projekt „Wassersportler sichten Schweinswale“ koordiniert, besorgt fest.
Die Todesursache ist fast immer auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen: Der sensible Lebensraum Ostsee ist zu einer Wasserstraße mit starkem Schiffsverkehr verkommen, von Schadstoffen aus Industrie und Landwirtschaft verschmutzt und überdüngt. Kriegsaltlasten, schnell fahrende Schiffe, militärische Übungen und die Ausbeutung von Bodenschätzen wie Kies und Sand, Öl und Erdgas tun ihr übriges und lassen das einzigartige Ökosystem immer lebensfeindlicher werden. Schon 2002 hat aber als Todesursache Nr. 1 das Kleinwalschutzabkommen ASCOBANS in seinem Rettungsplan für den Ostsee-Schweinswal, genannt Jastarnia Plan, die Aktivitäten der Fischerei identifiziert. Obwohl kein Fischer absichtlich Schweinswale fängt, sterben viele in nicht für sie ausgebrachten Netzen als „Beifang“. Grund: Die sich akustisch orientierenden Wale können moderne Netze aus dünnem Kunststoffgarn nicht mit ihrem Echolot orten. Sie verfangen sich und ersticken elendig. „Es sterben mehr Tiere als geboren werden“, sagt die Meeresbiologin Petra Deimer, GSM. „Das kann jedoch auf Dauer kein Bestand verkraften“.
Da der kleine Wal ohne strikte Schutzmaßnahmen in der Ostsee bald ausgerottet sein wird, fordert der Jastarnia-Plan die Umrüstung der Fischerei von gefährlichen Fangtechniken auf weniger gefährliche: Von Treibnetzen auf Langleinen, von Stellnetzen auf Reusen. „Es fehlt weder an Gesetzen noch an Vorschriften“, sagte Ingo Ludwichowski vom NABU, „es fehlt aber wie so oft an der effektiven Umsetzung der notwendigen Maßnahmen. Würden die Ostsee-Staaten den Jastarnia Plan auch anwenden, könnten sie den Schweinswal retten.“
Sechs Jahre nach Inkrafttreten des Rettungsplans verharren jedoch fast alle Fischereibehörden in stoischem Nichtstun. Statt den Plan effektiv umzusetzen, wird sogar versucht, die Todesursachen zu vertuschen. So liegt der GSM das Foto eines verendeten, an den Strand gespülten Schweinswals vor, dem ein Backstein an die Schwanzflosse gebunden wurde. GSM-Mitstreiter Andreas Pfander fand an der schleswig-holsteinischen Küste zudem tote Tiere mit aufgeschlitzten Bäuchen - die Kadaver sollten möglichst spät oder gar nicht entdeckt werden. Der Grund: Je später sie gefunden werden, desto schlechter sind „Netzmarken“, eindeutige Beweise für den qualvollen Tod in einem Fischereinetz, zu erkennen.
Bis vor wenigen Jahren dienten Beifänge der Wissenschaft, etwa um den Gesundheitszustand der Tiere, aber auch den ihres Lebensraumes, zu untersuchen. „Aber Beifänge gibt es angeblich nicht mehr“, wie der Biologe Ulrich Karlowski von der Gesellschaft zur Rettung der Delphine (GRD) kommentiert.
NABU, GRD und GSM werden zum Tag des Ostsee-Schweinswals am 18. Mai 2008 die Sichtungskarte, vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) erstellt aus den Beobachtungsdaten der GSM, vorstellen. Die interaktive Karte wird dann auch auf den Internetseiten von BfN und GSM unter www.habitatmarenatura2000.de und www.gsm-ev.de einzusehen sein.
Quelle: GRD