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Keine Tsunamis in Nordchile?

Archivmeldung vom 10.04.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.04.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Schematische Abbildung der Subduktionszone vor Chile mit dem Untersuchungsgebiet der Studie. Quelle: GEOMAR. (idw)
Schematische Abbildung der Subduktionszone vor Chile mit dem Untersuchungsgebiet der Studie. Quelle: GEOMAR. (idw)

Mit Archiv-Daten sowie Erdbebenbeobachtungen von 2007 haben Meeres-forscher aus Santiago de Chile und Kiel neue Erkenntnisse über tektonische Prozesse unter Nord-Chile erlangt. Ihre Studie ist in der Online Ausgabe von „Nature Geoscience“ erschienen.

Chile ist ein Land, das häufig von Naturkatastrophen heimgesucht wird. Alleine in der Liste der zehn stärksten bisher gemessenen Erdbeben erscheint der südamerikanische Staat mit dem Val-divia-Beben vom 22. Mai 1960 und dem Maule-Beben 27. Februar 2011 zweimal.

Da fällt umso mehr auf, dass Nord-Chile seit 1877 von keinem Mega-Beben mit folgendem Tsu-nami mehr betroffen war. Geowissenschaftler der Unversidad de Chile (Santiago de Chile) und des GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel sind dieser „Mega-Beben-Lücke“ jetzt auf den Grund gegangen. Möglicherweise wirkt ein bisher unbekannter Knick in der pazifischen Nazca-Erdplatte dort als Hemmschwelle für Erdbeben und Tsunamis. Die WissenschaftIer veröffentlichten ihre Entdeckung in der aktuellen Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift „Nature Geos-cience“.

Die Grundvoraussetzungen sind weitgehend bekannt: Von Westen kommend schiebt sich die Nazca-Platt mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Zentimeter pro Jahr direkt vor der Küste Chiles unter die kontinentale Südamerikanische Platte. Subduktion nennen Experten diesen tekto-nischen Vorgang. „Die Details sind jedoch äußerst kompliziert und noch lange nicht verstanden“, sagt Prof. Dr. Ingo Grevemeyer vom GEOMAR, „dabei sind es diese Details, die die Gefahr von Erdbeben und deren Verhalten bestimmen.“

Landgestützte Untersuchungen des Untergrundes in Nord-Chile hatten ergeben, dass dort die ver-sinkende Nazca-Platte mit einem Winkel von ca. 22 Grad ins Erdinnere abtaucht. Grevemeyer und sein früherer Doktorand, der Geophysiker Eduardo Contreras-Reyes von der Universidad de Chile, haben nun zusätzlich auf seismische Daten zurückgegriffen, die 1995 während einer Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff SONNE vor der Küste Chiles gesammelt worden waren. „Diese Daten hatten zunächst keinen Bearbeiter gefunden und waren archiviert worden. Wir haben sie jetzt erstmals wieder zusammengestellt und systematisch untersucht“, erzählt Dr. Contreras-Reyes.

Zur ihrer Überraschung fanden die Forscher, dass die Nazca-Platte vor der Küste Nordchiles recht gleichmäßig mit einem Winkel von nur 10 Grad unter die Südamerikanische Platte abtaucht. Erst in 20 Kilometern Tiefe knickt sie abrupt zu dem 20 Grad-Winkel ab, der von den landgestützten Messungen bekannt war.

Zusätzlich verglichen die Wissenschaftler ihre Daten mit Beobachtungen des Magnitude 7.7 Toco-pilla-Erdbebens von 2007, das an der Südgrenze der nordchilenischen „Erdbebenlücke“ auftrat. Die Verteilung der Nachbeben deutet darauf hin, dass der Knick der Nazca-Platte als Barriere für die Ausdehnung des Bebens wirkte. „Dadurch betrafen das Hauptbeben sowie die Nachbeben nur die tieferen Regionen und lösten vor allem keinen Tsunami aus“, erklärt Professor Grevemeyer.

Entwarnung geben die Wissenschaftler für Nord-Chile deshalb aber nicht. Im Gegenteil: Wie das Ereignis von 1877 zeigt, können besonders starke Mega-Beben die Hemmschwelle des Plattenknicks überwinden. „Wahrscheinlich ist es also nur eine Frage der Zeit, bis auch in Nordchile wieder ein Megabeben mit Tsunami auftritt. Und weil sich die Spannung dort so lange aufgebaut hat, könnte es umso heftiger ausfallen“, sagt Dr. Conteras-Reyes.

Quelle: GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (idw)

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