Kieler Atomaufseherin soll Brunsbüttel-Schwachstellenliste veröffentlichen
Archivmeldung vom 31.08.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDie Kieler Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) soll eine von ihr unter Verschluss gehaltene Liste mit 260 Fragen zu Schwachstellen des umstrittenen Atomkraftwerks Brunsbüttel sofort veröffentlichen. Dazu hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) die für die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein zuständige Ministerin heute in einem Schreiben aufgefordert.
Damit reagierte die DUH, die
Mitte August detailliert über gravierende und intern von
Reaktorexperten schon seit 2002 diskutierte Sicherheitsmängel im
Notstromsystem des Siedewasserreaktors berichtet hatte, auf eine
Äußerung von Frau Dr. Trauernicht in der taz vom Donnerstag. Auf die
von der DUH zuvor bekannt gemachte Tatsache angesprochen, in den
Schubladen der Kieler Atomaufsicht schlummere eine Liste mit 260
Sicherheitsmängeln, räumte Trauernicht gegenüber der taz ein, es gebe
eine "Liste mit sehr vielen offenen Punkten" zum Atomkraftwerk
Brunsbüttel.
"Entweder diese Schwachstellen-Liste ist harmlos, dann verstehen wir nicht, warum sie von Frau Trauernicht behandelt wird wie ein Staatsgeheimnis", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch, "oder die Liste offenbart Sicherheitsdefizite, die nach dem schweren Störfall im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark eine sofortige Abschaltung des Brunsbüttel-Reaktors erfordern. Die DUH hat Hinweise, dass diese Liste sehr wohl relevante Sicherheitsmängel auflistet, deren Beseitigung seit Jahren vom Kraftwerksbetreiber Vattenfall verweigert wird. Es kann nicht sein, dass der Fortbestand der Sicherheitsmängel in Kauf genommen wird, weil den Betreiberinteressen an einem fortgesetzten Betrieb Vorrang eingeräumt wird. In jedem Fall hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf, zu erfahren, worüber der Reaktorbetreiber Vattenfall und die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein offenbar seit Jahren einen schwelenden Streit ausfechten."
Resch erinnerte daran, dass Vattenfall Europe auf die Fragen der
Atomaufsicht zur Übertragbarkeit des Forsmark-Unfalls auf die Anlage
in Brunsbüttel zunächst wochenlang "objektive Falschaussagen"
verbreitet habe. Erst anlässlich einer internen Sitzung des
Ausschusses "Elektrische Einrichtungen" der
Reaktorsicherheitskommission (RSK) der Bundesregierung am letzten
Donnerstag hatte das Unternehmen plötzlich eingestanden, dass Teile
des elektrischen Notstromsystems doch wie in Forsmark von der
Funktionstüchtigkeit von Wechselrichtern abhängen. Damit stelle sich
die Frage nach der im Atomgesetz zwingend vorgeschriebenen
Zuverlässigkeit der Betreiber von Atomanlagen. Die war bezüglich des
AKW Brunsbüttel bereits nach einer schweren Wasserstoffexplosion im
Dezember 2001 gestellt worden und hatte schließlich zur Entfernung
des damals verantwortlichen Kraftwerksdirektors von seinem Posten
geführt. Angesichts dieser Vorgeschichte dürfe es "nicht einmal den
Anschein der Kungelei zwischen Atomaufsicht und Betreiber geben",
sagte Resch.
Die DUH verlangt in ihrem heutigen Schreiben sofortige Einsicht in
die Schwachstellenliste, die von Vattenfall angeblich nach und nach
bei laufendem Reaktorbetrieb abgearbeitet werden soll. Die DUH hat
daher heute auch Akteneinsicht nach dem Umweltinformationsgesetz
(UIG) sowie dem schleswig-holsteinischen Informationsfreiheitsgesetz
(IFG- S-H) beantragt und wird ihren Informationsanspruch
gegebenenfalls auch gerichtlich durchsetzen.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe e.V.