Antibiotika-Missbrauch in Massentierhaltungs-Anlagen stoppen und Einsatz generell drastisch reduzieren
Archivmeldung vom 15.11.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach Veröffentlichung der Studie des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz zum Antibiotika-Einsatz in der Intensivtierhaltung forderte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sofortige Konsequenzen. Die Anwendung von jährlich rund 1000 Tonnen Antibiotika in der Hähnchen-, Hühner-, Puten-, Schweine- und Kälbermast müsse drastisch reduziert werden, forderte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger in Berlin.
"Der Ausweitung gefährlicher Resistenzen gegen in der Humanmedizin unentbehrliche Antibiotika muss Einhalt geboten werden. Der hohe Antibiotika-Einsatz in der industriellen Tierhaltung ist nicht nur ein Beleg für die nicht artgerechte Tierhaltung in der Agrarindustrie, er gefährdet auch die menschliche Gesundheit dramatisch. Das System Massentierhaltung ist offensichtlich auf Antibiotika angewiesen. Es stellt ein Risiko für die Gesellschaft dar und wird dennoch mit einer Milliarde Euro an jährlichen Subventionen vom Staat gefördert", sagte Weiger.
Das Kernproblem sei, dass die Tiere wegen der nicht tiergerechten und krankmachenden Haltungsbedingungen regelmäßig Antibiotika bekämen, weil sie sonst oft nicht bis zur Schlachtung überleben würden, so der BUND-Vorsitzende. Zudem würden nach deutscher Gesetzeslage die Tierärzte nicht nur die entsprechenden Medikamente verschreiben, sondern auch quasi "als Apotheker" fungieren und somit maßgeblich am Verkauf der Medikamente verdienen. Wer besonders viel verkaufe, erhalte zudem Rabatte von der Pharmaindustrie. Dabei müssten Tierärzte nicht einmal nachweisen, dass sie die Tiere genau untersucht, Krankheitserreger präzise identifiziert oder den Behandlungserfolg überprüft hätten.
Weiger forderte die Bundesregierung auf, die Haltungsbedingungen für die Tiere in der Landwirtschaft deutlich zu verbessern, für den Antibiotika-Einsatz klare Minderungsziele festzulegen und vorzugeben, dass vor einer Verschreibung von Antibiotika auch der entsprechende Nachweis für die jeweiligen Krankheitserreger dokumentiert werde. Sogenannte Human-Antibiotika mit Wirkstoffen, die für die Behandlung von Krankheiten beim Menschen unverzichtbar seien, dürften in der Tiermedizin nur noch in Ausnahmefällen eingesetzt werden.
"Daten aus Dänemark zeigen, dass Tierärzte erheblich weniger Antibiotika verschreiben, wenn sie nicht an deren Verkauf verdienen. Laut Angaben der dänischen Regierung hat die Entkoppelung von Verschreibung und Verkauf vor 15 Jahren dazu geführt, dass schon ein Jahr danach der Antibiotika-Verbrauch um 40 Prozent gesunken war", sagte die BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning. "Weil die Agrarindustrie in Dänemark inzwischen andere Wege für den Antibiotika-Einsatz gefunden hat, hat deren Anwendung zwar wieder zugenommen. Genau deshalb muss Deutschland jetzt bessere Regeln für die artgerechte Tierhaltung aufstellen, damit die Tiere gar nicht erst krank werden. Und bevor Antibiotika zum Einsatz kommen, müssen die Bundesbehörden künftig kontrollieren, ob die Tiere überhaupt untersucht und die Krankheitserreger eindeutig identifiziert wurden", so Benning.
Die heute veröffentlichte Studie bestärke den Verdacht, dass Antibiotika nicht nur zu Therapiezwecken, sondern auch als Wachstumsförderer eingesetzt würden. Dies begünstige das Entstehen von Resistenzen. Dieser Missbrauch von Antibiotika werde durch die Bundesregierung noch begünstigt, indem sie die Zuständigkeiten und damit die Verantwortung auf die Länder und die Industrie abwälze und bislang nur veraltete Daten zum Antibiotika-Einsatz veröffentlicht habe. Weil die Überprüfung der Veterinärmediziner und Pharmafirmen auf Selbstauskünften beruhe, bestehe außerdem eine Kontrolllücke beim Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung. Dies müsse von der Bundesregierung umgehend korrigiert werden, forderte Benning.
Unter dem Motto "Wir haben es satt - Bauernhöfe statt Agrarfabriken!" will der BUND gemeinsam mit anderen Organisationen am Rande der Grünen Woche in Berlin am 21. Januar 2012 für durchgreifende Reformen in der Agrarpolitik demonstrieren.
Quelle: BUND (ots)