Algenzüchtung unter violetter Sonne
Archivmeldung vom 24.04.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtAm 7. April wurde im Technologiepark von Sophia-Antipolis (Alpes-Maritimes) ein Versuchsgewächshaus für Energiepflanzen mit großem Potential eingeweiht. Das von 7 französischen wissenschaftlichen und industriellen Partnern getragene und mit einem Budget von 3 Mio. Euro über drei Jahre dotierte “Purple Sun”-Projekt soll zum Aufschwung der Branche für Kraftstoffe aus Mikroalgen beitragen. Diese stellen eine Alternative zu den derzeit auf dem Markt verfügbaren Biokraftstoffen dar, die mit den Nutzpflanzen konkurrieren und eine schlechte Umweltbilanz haben, sowie zu den Biokraftstoffen aus Holz und Pflanzenabfällen, die sich noch in der Entwicklungsphase befinden.
Mikroalgen, von denen es Hunderttausende verschiedener Arten in Meeren, Seen und Flüssen gibt, haben den Vorteil, dass sie in geschlossenen Behältern (Photobioreaktoren) gezüchtet werden können. Ihre Anhäufung von Pflanzenmaterial durch Photosynthese ist phänomenal; sie speichern große Mengen an Ölen und Zuckern, aus denen sich Biodiesel und Bioethanol herstellen lässt. Darüber hinaus ermöglichen sie eine Verwertung der CO2-Emissionen der Industrie und der Dünger-, Nitrat- und Phosphatrückstände, die ihr Wachstum steigern. Problem: “Aktuelle Methoden der Züchtung und Extraktion verbrauchen so viel Energie wie die von den Mikroalgen erzeugte Energie”, sagt Olivier Bernard vom französischen Forschungsinstitut für Informatik und Automatik (INRIA). Deshalb wird dieses Phytoplankton heutzutage nur für weltweite Märkte mit hohem Mehrwert, wie Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetika oder Medikamente genutzt. Es bietet jedoch noch nicht die erforderliche Rentabilität für eine Verarbeitung zu Biokraftstoffen.
“Unser Ziel ist es, durch die selektive Verwendung von Licht die Produktion von Algenbiomasse und die Stromerzeugung zu kombinieren”, so Bernard. Bei der Photosynthese nutzen die Pflanzen nur einen Teil des gesamten Sonnenspektrums und können sogar an einem Lichtüberschuss leiden, was in Folge der Zerstörung von Schlüsselproteinen der Zellen zu einer wachstumsschädlichen Lichtsättigung bzw. –hemmung führt. So kamen die Forscher auf die Idee, die Ströme des Sonnenlichts, d.h. die Wellenlängen bzw. Farben, zu teilen: Einige dienen der Vermehrung der Mikroalgen, die besonders blau und rot nutzen (daher der Name des Projekts); andere aktivieren die Lichtzellen zur Stromerzeugung. Dies macht eine spezielle Beschichtung auf den Gewächshäusern erforderlich. Und an diesem Punkt kommt das junge, auf Solarfilme für Handys, Fenster oder Werbetafeln spezialisierte KMU aus Aix-en-Provence Sunpartner Technologies ins Spiel. “Wir werden mit Materialien, der Transparenz und Schattenwürfen spielen, um die Wellenlängen optimal zu verteilen”, so Frank Edmé, technischer Leiter.
Zunächst wurde die Reaktion der Mikroalgenstämme auf Licht- und Temperaturveränderungen getestet, erklärt Antoine Sciandra, Leiter des Labors für Ozeanographie in Villefranche-sur-Mer. Die Tests werden im 700 m² Photovoltaik-Gewächshaus von Sophia-Antipolis sowie in einer 60 m²-großen Demonstrationsanlage in Villefranche-sur-Mer fortgesetzt. Bezogen auf die Fläche eines Fußballfeldes beträgt die erwartete Jahreserzeugung 50 t Algenbiomasse bzw. 15 t Biokraftstoff und 200 Mwh. Das macht sie zur Plus-Energie-Anlage, deren überschüssiger Strom in das Netz eingespeist werden könnte.
“Das Prinzip der Photovoltaik-Gewächshäuser für Mikroalgen könnte auf andere Züchtungen ausgeweitet werden”, meint Christine Poncet, stellvertretende Leiterin des Instituts Sophia Agrobiotech. Weltweit wird bereits auf 3 bis 5 Millionen Hektar in Gewächshäusern gezüchtet. In Frankreich sind rund 80.000 Hektar Gewächshäuser mit Solarzellen gedeckt. Viele dieser Anlagen wurden jedoch nur für den Stromverkauf installiert: Manche decken nicht einmal die landwirtschaftliche Produktion ab. Künftig könnte die Sonnenenergie sowohl zur Gemüse- und Obstzüchtung, als auch zur Stromerzeugung genutzt werden.
Quelle: Wissenschaftliche Abteilung, Französische Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland (idw)