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Getreidepflanzen nutzen ihre Abwehrstoffe multifunktional gegen verschiedene Schädlinge

Archivmeldung vom 08.12.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.12.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Wird Weizen von Blattläusen befallen, produziert er eine weniger giftige Form von Benzoxazinoiden, die die Bildung von Kallose reguliert. Kallose hindert Blattläuse am Saugen.
Quelle: Beibei Li und Tobias Züst / Universität Bern, Schweiz (idw)
Wird Weizen von Blattläusen befallen, produziert er eine weniger giftige Form von Benzoxazinoiden, die die Bildung von Kallose reguliert. Kallose hindert Blattläuse am Saugen. Quelle: Beibei Li und Tobias Züst / Universität Bern, Schweiz (idw)

Ein Team von Wissenschaftlern der Universität Bern (Schweiz), des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie und ihren Partnern hat die Multifunktionalität von Benzoxazinoiden in Weizen charakterisiert. Benzoxazinoide wirken einerseits als Giftstoffe gegen Schmetterlingsraupen, regulieren aber auch Abwehrprozesse gegen Blattläuse. Als Schalter zwischen diesen unterschiedlichen Funktionen identifizierten die Forscher ein Methyltransferase-Enzym, das über Raupenfraß aktiviert wird und das es Weizenpflanzen ermöglicht, ihre Abwehr auf den jeweiligen Befall einzustellen.

Weizenpflanzen, in die ein Methyltransferase-Gen von Mais eingebracht worden ist, können ihre Abwehr nicht mehr angemessen steuern und werden so anfällig für Blattlausbefall.
Quelle: Beibei Li / Universität Bern, Schweiz (idw)
Weizenpflanzen, in die ein Methyltransferase-Gen von Mais eingebracht worden ist, können ihre Abwehr nicht mehr angemessen steuern und werden so anfällig für Blattlausbefall. Quelle: Beibei Li / Universität Bern, Schweiz (idw)

Der Vergleich mit Mais zeigt, dass auch dort eine Methyltransferase die Abwehr gegen verschiedene Schädlinge steuert. Die verantwortlichen Methyltransferasen sind in Weizen und Mais jedoch unabhängig voneinander entstanden (Science Advances, DOI: 10.1126/sciadv.aat6797, 5. Dezember 2018).

Pflanzen sind in der Natur vielen Feinden ausgesetzt, die an ihren Blättern, Stängeln und Wurzeln fressen oder sich an ihrem Pflanzensaft laben möchten. Sie bilden daher sekundäre Inhaltsstoffe, deren Aufgabe es unter anderem ist, Schädlinge am Fressen zu hindern. Solche Abwehrstoffe können von Pflanzen multifunktional verwendet werden. Forscherinnen und Forschern um Tobias Köllner vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie und Matthias Erb von der Universität Bern ist es nun gelungen, die Funktion von Benzoxazinoiden in Weizen genauer zu charakterisieren. Sie nutzten dafür detaillierte Kenntnisse über deren Abwehrfunktion in Maispflanzen, in denen ein bestimmtes Methyltransferase-Enzym eine Art Schalterfunktion einnimmt: Es entscheidet, ob Benzoxazinoide als wirksame Gifte vor Raupenfraß schützen, oder aber indirekt die Bildung von Kallose herbeiführen, die dazu beiträgt, Leitgefäße abzudichten, und daher Blattläusen das Saugen erschwert. „Unser Ansatz war es, diesen Schalter aus dem Mais in den Weizen einzubringen und ihn permanent zu aktivieren. Mit Hilfe unserer Kollegen am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung stellten wir transgene Weizenpflanzen her, die nicht mehr zwischen Giftstoffproduktion und Abwehrregulation wählen können, sondern permanent den Giftstoff produzieren. So konnten wir die Funktion der Benzoxazinoide im Weizen im Detail aufklären“, erläutert Tobias Köllner.

Dieser Ansatz ermöglichte eine gründliche Analyse, wie sich das Umschalten zwischen Giftstoff und Abwehrregulator auf die Resistenz des Weizens gegen Befall durch Schmetterlingsraupen und Blattläuse auswirkt. Außerdem konnten die Wissenschaftler den entsprechenden Schalter im Weizen identifizieren und biochemisch sowie stammesgeschichtlich genauer bestimmen. Obwohl Mais und Weizen ihre wichtigsten Abwehrstoffe, die Benzoxazinoide, über die gleichen Biosynthesewege produzieren, sind die Gene, die das Hin- und Herschalten zwischen der giftigen und der regulativen Form steuern, in Mais und Weizen kaum miteinander verwandt. Beide Getreidearten haben diesen Schalter im Laufe der Evolution also unabhängig voneinander entwickelt. Dieses Phänomen nennen Forscher konvergente Evolution. „Konvergente Evolution ist in der Natur weit verbreitet und kommt dadurch zu Stande, dass verschiedene Arten für dasselbe Problem, also denselben Selektionsdruck, unabhängig voneinander dieselbe Lösung entwickeln. Dass zwei Gräser, die den gleichen spezialisierten Abwehrstoff produzieren, den entsprechenden Schalter für dessen Nutzung aber unabhängig hervorbrachten, ist bemerkenswert. Dies deutet einerseits darauf hin, dass die Fähigkeit, Benzoxazinoide für verschiedene Funktionen zu nutzen, relativ jung ist. Andererseits scheint die Fähigkeit, die Abwehr spezifisch an verschiedene Fraßfeinde anzupassen, für Pflanzen von großer Bedeutung zu sein. Unserer Meinung nach beobachten wir hier die Entstehung von neuen Regulationsmechanismen weg vom konservierten Kanon der Phytohormone hin zu spezialisierteren Systemen“, sagt Matthias Erb. „Interessanterweise nutzen auch Kreuzblütler ihre Abwehrstoffe zur Kalloseregulation, was darauf hindeutet, dass diese Art der Multifunktionalität von Abwehrstoffen weit verbreitet ist.“

Die Wissenschaftler wollen nun klären, durch welche Mechanismen Benzoxazinoide andere Abwehrprozesse steuern. Sie sind insbesondere an einer Antwort auf die spannende Frage interessiert, ob es für Benzoxazinoide Rezeptoren gibt, womit man sie auch als Hormone klassifizieren und die Grenze zwischen Pflanzengiften und Abwehrregulatoren ganz aufheben könnte. Dadurch hoffen die Forscher, auch der Antwort auf die Frage, warum die Pflanzen überhaupt Gifte verwenden, um Abwehrmechanismen zu regulieren, wenn dies doch eigentlich die Aufgabe von Pflanzenhormonen wäre, ein Stück näherzukommen.

Quelle: Max-Planck-Institut für chemische Ökologie (idw)

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