Farbenfrohe Grenzgänger: Felsensittiche haben vor 120.000 Jahren die Anden überquert
Archivmeldung vom 14.07.2011
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Anden im südlichen Südamerika sind ein lebensfeindliches Gebirge mit Gletschern, Salzwüsten und kargen Hochsteppen. Vögel der gemäßigten Klimazonen überqueren dieses Gebirge nur selten. Trotzdem kommen viele Arten auf beiden Seiten der Anden vor, so zum Beispiel der Felsensittich Cyanoliseus patagonus. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Ornithologie haben gemeinsam mit Kollegen der Universität Freibung und des Konrad-Lorenz-Instituts Wien herausgefunden, dass die Ursprungspopulation des Felsensittichs im heutigen Chile lebte und die Anden nur ein einziges Mal erfolgreich überqueren konnte.
An Felsensittichen lässt sich besonders gut untersuchen, wie sich Tiere in geeignetem Lebensraum ausbreiten und dabei natürliche Barrieren überwinden, denn sie sind zur Brut an besondere Plätze gebunden und die Zahl der Brutplätze ist überschaubar. Die farbenfrohen Papageienvögel brüten in Kolonien in Sandstein- und Kalkfelsen. Geeignete Nistfelsen finden sich vor allem entlang von Flüssen in den Tälern zu beiden Seiten der Anden und an Steilküsten am Atlantik.
Die Forscher haben auf zwei Sammelreisen von über 13.000 Kilometer Länge insgesamt 66 Kolonien der Felsensittiche entdeckt und von dort gemauserte Federn eingesammelt. Mit Hilfe des Erbguts aus diesen Federn konnten sie die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den einzelnen Kolonien entschlüsseln. „Die Ergebnisse sind faszinierend“, sagt Juan F. Masello. „Entgegen unserer Erwartung ist die Art urprünglich auf der Pazifikseite der Anden entstanden, wo sich heute Chile befindet und wo heute nur kleine Kolonien vorkommen. Von dort überquerte die Art nur ein einziges Mal erfolgreich die Anden. Aus dieser Startpopulation haben sich in Argentinien zwei neue Unterarten entwickelt. Davon hat sich eine erfolgreich entlang der Flüsse bis zum Atlantik ausgebreitet, wo jetzt die größten Kolonien zu finden sind. In El Condor bildet die Art die weltweit größte Kolonie aller Papageienvögel, mit mehr als 35.000 Paaren.“ „Die genetischen Daten konnten durch Altersbestimmungen von Fossilien in einen zeitlichen Rahmen gebracht werden“, ergänzt Petra Quillfeldt. „So konnten wir abschätzen, daß die Überquerung der Anden vor über 120.000 Jahren stattgefunden hat.“
„Unsere Untersuchungen sind sehr wichtig, um den Schutz der verschiedenen Unterarten zu verbessern“, führen die Forscher weiter aus. So ist die in Chile brütende Unterart heute stark vom Aussterben bedroht. Es gibt nur noch etwa 5.000 - 6.000 dieser Tiere. Noch immer werden zu viele Tiere gefangen und als Haustiere gehalten. Die starke genetische Trennung der chilenischen Unterart ist ein weiterer Grund, die Schutzbemühungen hier zu verstärken. Ähnliches gilt für die nördliche Unterart in Argentinien, von der nur noch 2.000 Paare in der Wildnis brüten. Die zahlenmäßig größte Unterart in Patagonien (Südargentinien) dagegen ist zunehmend von Habitatzerstörung betroffen, da hier die Steppe gerodet wird und vor allem der Sojaanbau rasch voranschreitet.
Eine vergleichbar umfassende Arbeit, die eine Vogelart in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet auf beiden Seiten der Anden untersuchte, gab es bisher nicht. Sie hat gezeigt, dass die Anden tatsächlich eine effektive Barriere für den Genfluss darstellen, deren Überwindung nur selten gelingt. Die Überquerung erfolgte im Bereich der Hochanden nahe des Aconcagua (6.962 m), wahrscheinlich über einen Paß von über 3.000 Meter Höhe.
Quelle: Max-Planck-Institut für Ornithologie