Krebse sabotieren Klimaschutz
Archivmeldung vom 24.03.2009
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Freigeschaltet durch Oliver RandakEs ist bekannt, dass Algen das CO² aus der Luft aufnehmen und seine Konzentration dadurch in der Atmosphäre verringert. Ein Experiment im Südatlantik sollte nun Auskunft darüber geben, ob durch Eisendüngung gefördertes Algenwachstum die Konzentration von CO² in der Luft erheblich verringern könne.
Die künstliche Düngung der Weltmeere mit Eisen
kann die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in der
Luft kaum vermindern. Das ist ein Ergebnis der jüngsten Reise des
deutschen Forschungsschiffs "Polarstern", auf dem Wissenschaftler die
Auswirkung der Eisendüngung im stürmischen Südatlantik untersucht
hatten. Zur Überraschung der Forscher aus Deutschland und Indien
vereitelten gefräßige Krebse die Kohlenstoff-Bindung im Meer, teilte
das Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Berlin mit.
Unter Meeresschützern war die Forschungsfahrt der "Polarstern"
umstritten. Einige unterstellten, dass die Wirtschaft nur nach einer
billigen Lösung zur CO2-Entsorgung im Meer suche. Diesem Vorwurf traten
die Forscher nun mit wissenschaftlichen Argumenten entgegen: In den
untersuchten kieselsäurearmen Gewässern hatte die Eisendüngung fast
keinen Effekt auf die CO2-Konzentration der Luft. Da Dreiviertel aller
Weltmeere arm an Kieselsäure seien, funktioniere die Idee der
Eisendüngung großflächig also eher nicht.
"Das war die aufregendste Fahrt meiner Karriere", bekannte Victor
Smetacek (63), Biologe des AWI in Berlin. Als sich der politische Sturm
gegen das Experiment gelegt hatte, sei der Sturm auf See erst richtig
losgebrochen. Bei Windgeschwindigkeiten bis zu 120 Stundenkilometern
musste die "Polarstern" zweimal kurz aus ihrem Forschungsgebiet
abdrehen.
Trotz der widrigen Bedingungen konnten die Biologen die Wirkung ihres
Experiments aber gut beobachten: Das Eisen im Wasser führte zwar
zunächst wie geplant zu Wachstum und Blüte von Kleinalgen, die CO2
aufnehmen. Doch dann schwammen millimetergroße Ruderfußkrebse heran und
fraßen die Algen mit Riesenhunger auf. So war die entstandene
Algenblüte insgesamt kleiner als erwartet. Die Mini-Krebse wurden
danach von ihren Artgenossen, garnelengroßen Flohkrebsen, mit ähnlich
gutem Appetit vertilgt.
Von Eisen und Algen blieb nach dem großen Fressen wenig übrig - nur
eine ganz geringe Menge Kohlenstoff sank schließlich auf den
Meeresboden ab. Außer einem Schwarm äußerst wohlgenährter Flohkrebse
ergaben sich nach dem Experiment kaum Veränderungen im untersuchten,
rund 300 Quadratkilometer großen Meeresgebiet. "Diese Reaktion des
Ökosystems war in solchen Einzelheiten noch nicht bekannt", sagte
AWI-Direktorin Karin Lochte.
Die Forscher folgern nun, dass Eisendüngung nur dann mehr Kohlendioxid
aus der Atmosphäre binden kann, wenn Kieselalgen im Spiel sind. Denn
sie haben eine harte Schutzschale, die Krebse nicht so schnell knacken
können. Doch Kieselalgen gedeihen nur in Gewässern mit Kieselsäure.
AWI-Wissenschaftler gehen davon aus, dass weniger als ein Drittel aller
Meeresflächen diese Voraussetzung erfüllen. Kieselsäure ins Meer zu
schütten, bringe auch nichts, erläuterte Biologe Smetacek. "Die
benötigten Mengen wären viel zu groß."
Das AWI will die Ergebnisse nun genau auswerten. Für die nächste Zeit
seien keine neuen Eisendüngungs-Experimente des
Meeresforschungs-Instituts mit Sitz in Bremerhaven geplant. Die
"Polarstern" wird dort am 24. Mai zurückerwartet.