Unfallträchtiges Nadelöhr. WWF fordert nach Untergang eines Chemie-Tankers im Ärmelkanal stärkere Kontrollen
Archivmeldung vom 01.02.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlAngesichts des im viel befahrenen Ärmelkanal gesunkenen Chemie-Tankers "Ece" fordert der WWF stärkere Kontrollen für Schiffe mit gefährlichen Ladungen. "Diesmal ist die Meeresumwelt offenbar mit einem blauen Auge davon gekommen. Nicht auszumalen, was passiert wäre, wenn das Schiff Pestizide oder andere Umweltgifte geladen hätte", so der WWF-Experte Stephan Lutter.
Die "Ece" hat
10.000 Tonnen Phosphorsäure geladen. Nach Angaben britischer Behörden
ist noch keine Phosphorsäure ins Meer gelangt. "Die Chemikalie löst
und neutralisiert sich zwar in Meerwasser, aber diese Schiffsladung
ist eine Nährstoffbombe und enthält etwa so viel schädliches Phosphat
wie in drei Monaten in die gesamte Nordsee eingeleitet wird", so
Lutter.
"Der Ärmelkanal ist ein Nadelöhr der internationalen Schifffahrt,
in dem sich immer wieder Unfälle ereignen. Wir brauchen bessere
Sicherheitsvorkehrungen, um Mensch und Natur zu schützen", fordert
der WWF. Der Chemie-Tanker "Ece" sank am Mittwochmorgen 90 Kilometer
westlich der Landzunge von La Hague. Er liegt in 70 Meter Tiefe am
Meeresgrund und konnte bislang nicht geborgen werden. Das Schiff war
am Dienstag mit dem Frachter "General Grot Rowecki" zusammen
gestoßen.
Der Unfall zeige, dass der Schutz vor Schiffshavarien im
Ärmelkanal deutlich verbessert werden müsse. Zwar erhalte das
Meeresgebiet zwischen Schottland und Portugal den von der
Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO verliehenen Status eines
"Besonders Empfindlichen Meeresgebietes" (PSSA). "Eine Meldepflicht
tritt ab 2008 aber nur für Schweröl-Transporte in Kraft - nicht aber
für Schiffe, die Chemikalien an Bord haben", kritisiert der WWF.
Darüber hinaus fordert der WWF angesichts der neuerlichen Kollision
eine Lotsenpflicht für Schiffe, die den Ärmelkanal mit gefährlichen
Ladungen queren. Für alte Tanker mit Schweröl an Bord hatten die
Anrainerstaaten nach den Havarien der "Erika" und "Prestige" vor der
IMO sogar ein generelles Fahrverbot im Kanal und an der Atlantikküste
gefordert. Sie konnten sich damit allerdings nicht durchsetzen.
Von 1975 bis 2003 kam es nach Angaben des WWF bei 14
Schiffsunglücken im Ärmelkanal und seinen westlichen Zugängen zur
Freisetzung von Öl oder Chemikalien. 1993 verlor der Tanker "Sherbro"
188.000 Päckchen hochgiftiger Substanzen, die bis an die deutsche
Küste gespült wurden. Im Jahr 2000 traten aus der "Ievoli Sun" nach
dem Bruch der Tankerhülle 6.000 Tonnen giftiger Chemikalien aus.
Quelle: Pressemitteilung WWF World Wide Fund For Nature