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Europäische Abfallpolitik auf der Kippe

Archivmeldung vom 24.05.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.05.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Drei Tage vor entscheidenden Verhandlungen in Brüssel über die Zukunft der europäischen Abfallpolitik schlägt die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) Alarm. Fortschrittliche Regelungen, die bereits als Konsens galten, drohen unter anderem an Interventionen deutscher Europaabgeordneter und der Bundesregierung zu scheitern.

Am kommenden Montag (26. Mai) verhandeln Europaparlamentarier und die slowenische EU-Ratspräsidentschaft mit der Europäischen Kommission über die Zukunft der Abfallpolitik in Europa. Es geht vor allem darum, ob Abfallvermeidung und Recycling die höchste Priorität gegeben wird oder ob die wachsenden Müllberge verbrannt und deponiert werden. Nachdem sich zunächst das Europäische Parlament klar für verbindliche Ziele für Abfallvermeidung und Recycling ausgesprochen hatte, arbeiten derzeit vor allem deutsche Abgeordnete für abgeschwächte Ziele, und so geht das Parlament geschwächt in die Verhandlung.

Abfallvermeidung und Recycling liefern einen großen Beitrag zum Klimaschutz. In der EU werden heute 37 Prozent der Siedlungsabfälle recycelt. Ergebnis: reduzierte Treibhausgasemissionen in Höhe von 158 Millionen Tonnen, gerechnet in Kohlendioxid-Äquivalenten. Allein mit einer Erhöhung der Recyclingquote für Siedlungsabfälle auf 53 Prozent könnten zusätzlich 89 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) eingespart werden. Das entspricht dem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 31 Millionen Autos auf Europas Straßen. Um weltweit knappe Ressourcen durch Vermeidung und Recycling zu schonen, hat das Europäische Parlament sich bereits vor einem Jahr auf folgende rechtlich verbindliche Ziele geeinigt: Stabilisierung des Müllaufkommens bis 2012 und verbindliche Recyclingziele für Siedlungsabfälle (50 Prozent), industrielle Abfälle (70 Prozent) und Bau- und Abbruchabfälle (70 Prozent) bis 2020. Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) fordert die verbindliche Übernahme dieser Ziele in der aktuellen Überarbeitung der europäischen Abfallrahmenrichtlinie.

Doch manche Regierungen wollen diese Ziele nicht akzeptieren. In dieser Woche hat die slowenische EU-Ratspräsidentschaft dem Europäischen Parlament einen neuen Vorschlag vorgelegt, der am kommenden Montag von Europaabgeordneten, der Ratspräsidentschaft und der Europäischen Kommission verhandelt wird. Der Vorschlag sieht die Vertagung der dringend notwendigen Diskussion über notwenige Maßnahmen zur Abfallvermeidung auf 2014 vor und verwässert die vom Parlament vorgeschlagenen Recyclingziele - sowohl hinsichtlich der Höhe der Mindestrecyclingquoten als auch bezüglich ihrer Verbindlichkeit für die Mitgliedstaaten. Vorgeschlagen wird nur noch eine Absichtserklärung, 40 Prozent Metall, Papier, Glas und Plastik unabhängig von der Herkunft der Materialen bis 2020 wiederzuverwerten - eine Quote die in Europa schon heute fast überall erreicht wird.

Nach Informationen der DUH aus Kreisen der EU arbeitet Deutschland mit der slowenischen Ratspräsidentschaft beim Thema Abfallrahmenrichtlinie sehr eng zusammen. "Wir brauchen eine anspruchsvolle Abfallgesetzgebung in Europa. Stattdessen setzt sich Deutschland einmal mehr für die Absenkung von umweltrelevanten Mindeststandards auf europäischer Ebene ein. Eine derart entwertete Abfallrahmenrichtlinie ist ein zahnloser Tiger", kritisiert Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer. Neue Normen für die europäische Abfallpolitik seien nur dann sinnvoll, wenn sie der Abfallvermeidung und dem Recycling die oberste Priorität geben und rechtlich verbindliche Regelungen, im Ergebnis die Recyclingquoten von Siedlungsabfällen, industriellen Abfällen sowie Bau- und Abbruchabfällen, voranbringen. Im vergangenen Jahr habe sich das Europäische Parlament gerade für solche Ziele stark gemacht und den schwachen Kommissionsentwurf mit Leben gefüllt. "Es ist unverständlich, warum deutsche Unions- und SPD-Europaparlamentarier jetzt nicht für diese Standards kämpfen und damit die Verhandlungsposition des Parlaments schwächen. Das Parlament ist nahe dran, einen Kniefall vor den Regierungen zu machen.", so Resch. Die Europaabgeordneten machen den EU-Regierungen darüber hinaus schon große Zugeständnisse, wie zum Beispiel eine Schwächung der Abfallhierarchie, die die Grundlage des Mehrwegschutzes in Europa darstellt, ungeprüfte Umdeklarierung von industriellen Abfällen als Nebenprodukte und von Müllverbrennung als Energieverwertung.

Gelder und Kapazitäten für Investitionen im abfallwirtschaftlichen Bereich gibt es nur einmal; entweder wird in Recycling investiert - wie z.B. in Systeme für getrennte Sammlung, Sortier- oder Recyclingtechniken - oder in Anlagen zur Abfallverbrennung mit Laufzeiten von 25-35 Jahren. "Das von der Ratspräsidentschaft vorgeschlagene Ziel wäre rechtlich unverbindlich und würde zu einem Chaos in der EU führen. So könnten Länder, die wenig Siedlungsabfälle recyceln, das vorgeschlagene Ziel allein über industrielle Abfallströme erreichen. Anreize zur Schaffung von aus Umweltsicht dringend notwendigen Recyclingstrukturen für Siedlungsabfälle werden damit nicht geschaffen", bemängelt Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft bei der DUH. Manche würden die Kompostierung von kommunalen Bioabfällen vorantreiben andere nicht. "Das wäre das Ende einer europäischen Recyclinggesellschaft". Darüber hinaus würden in der EU schon jetzt 75 Prozent Metall-, 60 Prozent Glas-, 56 Prozent Papier- und 35 Prozent Plastik-Abfälle wiederverwertet. Deutschland läge weit über dem EU-Durchschnitt.

Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V.

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