Leben ohne Sonne in der tiefen Biosphäre
Archivmeldung vom 20.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern hat in 2,8 Kilometern Tiefe in Südafrika eine isoliert und völlig autark lebende Bakteriengemeinschaft ausfindig gemacht. Erstmals konnte nachgewiesen werden, dass eine solche Mikrobengemeinschaft ausschließlich von geologisch erzeugtem Schwefel und Wasserstoff lebt.
Diese Bakterien finden sich in einer Goldmine und überleben seit Millionen von
Jahren völlig ohne Sonnenenergie. Dieses berichtet das Wissenschaftsmagazin
"Science" in seiner Ausgabe vom 20. Oktober 2006.
Das seit 1998 laufende
internationale Projekt wird von der Princeton University, USA, geleitet. Von
deutscher Seite ist das GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) an den Untersuchungen
beteiligt. Hier wurden Wasserproben aus Klüftzuflüssen in verschiedenen
ultratiefen Bergwerken in Südafrika analysiert und aus den in ihnen gelösten
Edelgasen deren Alter bestimmt. Dies geschieht durch Konzentrationsbestimmung
von natürlich entstehenden Tochternukliden (speziell Edelgasen).
Es ergab
sich ein mittleres Alter der Wasserproben zwischen15 und 20 Millionen Jahren.
"Damit konnte einerseits gezeigt werden, dass diese Wässer über lange Zeiträume
von der Oberfläche der Erde, der Atmosphäre und der jüngeren Biosphäre isoliert
sind. Andererseits ist es nur aufgrund der erfolgten Datierung möglich
abzuschätzen, in welchen Zeiträumen die nachgewiesenen Mengen der
mikrobiologischen 'Verdauungsprodukte' angefallen sind," erklärt die Physikerin
Dr. Johanna Lippmann-Pipke vom GFZ Potsdam. "Daraus lässt sich der
Nährstoffumsatz und damit die Zeitdauer für eine Verdoppelung der Anzahl der
Zellen abschätzen: 45 bis 300 Jahre!"
Diese langsame Lebensweise sichert das
Überleben der Mikroben in einer scheinbar unwirtlichen Tiefe, denn die
Geschwindigkeit, mit der das Nährstoffangebot und damit die verfügbare Energie
nachgeliefert wird, ist sehr gering.
Dieser außergewöhnlich lange Zeitraum
erklärt auch, warum eine Kultivierung der gefundenen Mikroben im Labor quasi
unmöglich ist und wie kompliziert es ist, eindeutig nachzuweisen, wovon sie
leben. Letzteres ist dem Wissenschaftlerteam nun jedoch gelungen: Diese Mikroben
leben ausschließlich von Substraten und einer Energiequelle, die völlig
unabhängig von der Energie der Sonne ist. Die Energie für die mikrobielle
Reduktion von Sulfat in Sulfid stammt aus radiolytisch produziertem Wasserstoff,
der beim Zerfall von natürlich vorkommenden radioaktiven Stoffen (Uran, Thorium,
Kalium) in Untergrund entsteht.
Im Rahmen eines DFG-geförderten
Forschungsprojekts des Internationalen Kontinentalen Forschungsbohrprogramms
(ICDP) installiert das GFZ Potsdam derzeit in einem Goldbergwerk in Südafrika
das weltweit tiefste Gasanalytiklabor: 3,6 Kilometer unter der Erdoberfläche
werden die Gasemissionsraten aus dem Gestein während und nach Erdbeben im Detail
studiert. Damit kann unter anderem auch der Fragestellung nachgegangen werden,
ob geologische Störzonen bevorzugte Lebensräume solcher Bakterien sind, weil
hier die für den bakteriellen Stoffwechsel nötige Energie zur Verfügung
steht.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.